Seite:An Alle, Alle! Heft 1, 1919.djvu/50

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Es kann aber doch sein, daß für irgendwelche Zwecke sich dringend privater Kapitalbedarf einstellt, z. B. für Ausprobierung von Erfindungen, Geschäftsgründungen von jungen, tüchtigen Handwerkern, Geschäftsleuten usw.

Zunächst hat dies mit der Brechung der Zinsknechtschaft gar nichts zu tun! Denn erstens muß man logischerweise annehmen, daß der Kapitalist, der nach Brechung der Zinsknechtschaft ja keine Gelegenheit mehr hat, seine Gelder bombensicher anzulegen und auf trägen Zinsgenuß zu spekulieren, viel mehr wie früher geneigt sein wird, sein Geld für derartige Zwecke zu riskieren, daß also ein Mangel oder Bedürfnis in dieser Richtung viel weniger wie bisher eintreten wird, oder hat man nicht gerade im Gegenteil von den tüchtigsten Geschäftsleuten, den klügsten Erfindern immer wieder die Klage gehört, wie schwer es ist, im mammonistischen Staat Geld für solche Zwecke zu bekommen, wenn nicht eine „Rente“ garantiert werden konnte. Zweitens muß es Aufgabe des kommenden Staates sein, jeder tüchtigen Kraft durch großzügige Unterstützung voranzuhelfen. Hierzu waren ja bisher im alten Beamtenstaat auch schon Ansätze da, aber so engherzig, daß meistens statt einer Förderung eine Hemmung und Verdrossenheit herauskam, durch die mit der Gewährung staatlicher Unterstützung verbundenen schikanösen Bestimmungen. Drittens sei bemerkt, daß mit der Bereitstellung von mehreren Millionen ungeheuer viel erreicht werden könnte. Die Arbeitsfreudigkeit, der Fleiß und die Zähigkeit des deutschen Erfinders, Ingenieurs, Handwerkers etc. ist so groß, daß durch das Beteiligungsrecht des Staates an den Ergebnissen glücklicher Erfindungen höchst wahrscheinlich reichlich die gemachten Aufwendungen wieder hereingebracht würden. (England als Beispiel.)

Die Brechung der Zinsknechtschaft führt notwendigerweise zur Aufzehrung des Vermögens.

Oho! Wer behauptet das? Oder doch ja! Wer sein Leben eingestellt hat auf das Verzehren seiner Kapitalzinsen und sich nicht entschließen kann zur Arbeit, bei dem stimmt es allerdings; der wird in 20 Jahren bei jährlich 5% Einzehrung restlos mit seinem Vermögen fertig. Ja das ist aber doch auch ganz in der Ordnung! Wir wollen ja gerade die Brechung der Zinsknechtschaft, wir wollen ja, daß das Rententum aufhört, das höchste Ideal für den Staatsbürger zu sein. — Wir wollen ja aufhören mit dieser mammonistischen Versumpfung, wir wollen ja nicht mehr dulden, daß einer,

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/50&oldid=- (Version vom 29.10.2017)