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Und verberg’ mein glühend Antlitz
Unter seinen roten Blüten.

Als die Bursche mich erblickten,
Sperrten Mund sie auf und Augen;
Wär ’ne Semmel ich gewesen,
Hätten sie mich gar verschlungen!

Hat man Feuer angezündet?
Steht der Weidenbusch in Flammen?
Nein, der Freier Augen brennen,
Da sie meine Schönheit sehen!

Eh’ ich durch das Bächlein wate,
Muß ich erst mein Röcklein schürzen;
Eh’ ich in die Fremde gehe,
Muß ich mich erst recht bedenken.

Schwanenmutter, schütz die Kindlein,
Sturmflut kam mit großer Welle!
Mädchenmutter, schütz die Töchter,
Schlechte, thör’chte Freier kamen!

Weil ich stets zum Handschuhstricken
Etwas gelbes Garn genommen,
Hat mein künft’ger Brotversorger
Einen gelben Lockenkopf.

Wo erwuchsest, schmucker Bursch, du,
Daß ich niemals dich gesehen?
„Ei, ich wuchs auf einem Steine,
Tief im tiefsten Meeresgrunde!
Doch wo wuchsest, schmucke Maid, du,
Daß ich niemals dich gesehen?"
Ei, beim Mütterlein ich aufwuchs
In dem weißen Rosengärtchen! –

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/23&oldid=- (Version vom 10.1.2019)