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Sprach die Birke zu dem Mägdlein:
„Kannst von meinen Ästen schneiden,
Aber schneide nur, was schnittreif,
Schneide nicht frischgrüne Zweiglein!
Grüne Zweiglein müssen bleiben,
Daß sich die Zigeuner schmücken!“

Keine Nuß und keine Beere
Wächst am Wege, den ich wandre.
Was soll ich den kleinen Brüdern
Bringen, wenn ich sie besuche?

Hopfen, wohin reitest du
Auf dem großen, langen Baume?
„Will mal nachsehn, wie die Gerste
Draußen auf der Rödung wächst!"

Kühlein, Kühlein, buntgeflecktes,
Sag’, wonach du abends brülltest?
Wolltest einen goldnen Stall du
Oder eine Silberkrippe?
„Nicht nach goldnem Stalle brüllt’ ich,
Nicht nach einer Silberkrippe;
Faul ist meine junge Wirtin,
Wollte nicht mich melken kommen.“

Sing in meinem Rosengarten
Hellen Klangs, o Nachtigall!
Thust du nicht nach meinem Willen,
Geb’ ich dich dem Habicht preis.

Singt drauf los, ihr Drosselkinder,
Eh’ die Saatzeit noch gekommen!
Ist die Saatzeit erst gekommen,
Singt euch tot die Nachtigall.

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/28&oldid=- (Version vom 11.1.2019)