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Feines Netz will’s Meerchen haben,
Weißes Segelchen mein Bötchen.
Aufgespannt wird’s weiße Segel,
Schimmernd zieht das Boot von hinnen.
Auf den Wellen schön sich wiegend
Zieht es vor des Freiers Hausthür.
Stege legt mir flink der Freier,
Immer Steg an Steges Ende. …
Kot’ge Heimatstraße wandr’ ich
Lieber doch als Freiers Stege: –
Silbern ist der Kot der Heimat,
Thränenfeucht sind Freiers Stege!




133.
Die Wunderbohne.

Eine weiße Bohne nahm ich,
In die Erde sie zu pflanzen.
Trug sie zu den roten Rosen,
Pflanzte sie im Rosengarten. –
Aufwuchs eine Bohnenranke
Bis hinauf zur Himmelswölbung.
An den Bohnenzweigen stieg ich
Gradeswegs empor zum Himmel,
Sitzen sah ich Gottes Sohn dort,
Sitzen an des Tisches Ende,
Eine goldne Kohklis[1] rühren
Und mit roten Äpfeln spielen.
„Gott zum Gruße, Gottes Söhnlein!
Hast mein Väterchen gesehn du?“.
„Väterchen am Meeresstrande
Ruht im weißen Dünenhügel!“

  1. Das zitherartige, mit Metallsaiten bespannte Nationalinstrument der Letten.
Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/41&oldid=- (Version vom 4.9.2016)