Seite:Anfangsgründe der Mathematik I p 010.jpg

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Und um dieser Ursachen willen muß die Mathematick vor der Vernunftlehre erlernet werden, wenn man in richtiger Ordnung, ohne einigen Zeit-Verlust, studiren will. Es ist aber ohne mein Erinnern klar, daß man diesen Nutzen von der Mathematick nicht zu erwarten hat, wenn nicht die von den alten Geometris gebrauchte Lehrart in allem auf das sorgfältigste in Acht genommen wird: denn nicht die mathematische Wahrheit, sondern die Ordnung, in welcher sie gründlich erkannt wird, ist das Mittel, wodurch der Verstand des Menschen geändert wird. Daher fället dieser Nutzen der Mathematick weg, wenn man ihre Lehren auf gemeine Art vorträget, nach welcher sie mehr in das Gedächtniß, als in den Verstand gefasset werden. Dieses war die Ursache, warum ich meine Anfangs-Gründe der mathematischen Wissenschaften herausgab, und darinnen auch bey solchen Sachen, die in mathematischer Gewißheit völlig abzuhandeln viel zu weitläufig fallen würden, die in der Geometrie bey den Alten übliche Ordnung, so viel möglich, in Acht nahm. Ja weil es denen, welche die Wahrheit einzusehen anfangen, nicht anders ergehet, als einem, der aus dem Dunkelen ins Helle kommet, daß er nemlich den allzugrossen Glanz des Lichtes nicht vertragen kan, sondern dadurch einigen

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Christian von Wolff: Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1772, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anfangsgr%C3%BCnde_der_Mathematik_I_p_010.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)