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Diese Herren hatten sich nicht entblödet, die Natur mutterfadennackt auszuziehen und dem keusch- und züchtigen Publikum darzustellen wie sie Gott erschaffen hat. Auch der häßliche Gärrick hört allmählich auf, mit seinem Götzen Shakespear Wohlstand, Geschmack und Moralität, den drey Grazien des gesellschaftlichen Lebens, den Krieg anzukündigen. Nun und gleich bey lüpfe ich den Vorhang und zeige Ihnen – ja was? ein wunderbares Gemenge alles dessen, was wir bisher gesehen und erwogen haben, und das zu einem Punkt der Vollkommenheit getrieben, den kein unbewafnetes Auge mehr entdecken kann. Deutsche Sophokles, deutsche Plautus, deutsche Shakespears, deutsche Franzosen, deutsche Metastasio, kurz alles was Sie wollen, durch kritische Augengläser angesehen und oft in einer Person vereinigt? Was wollen wir mehr. Wie das alles so durcheinander geht, Cluvers orbis antiquus mit der neueren Heraldik, und der Thon im Ganzen so wenig deutsch, so kritisch bebend, gerathen schön – wer Ohren hat zu hören, der klatsche, das Volk ist verflucht.

Nachdem ich also fertig bin und Ihnen, so gut ich konnte, die Bühne aller Zeiten und Völker in aller Geschwindigkeit zusammengenagelt,

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Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)