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form erhalten ist, meistens andere aus dem Fortunatusmärchen entlehnte züge mitgefolgt sind.

Die urform der abenteuer der beiden brüder könnten wir somit folgendermassen feststellen:

Derjenige bruder, welcher den kopf des wundervogels gegessen hat, gelangt in ein reich, wo nach dem ableben des alten herrschers ein neuer gewählt wird. Ein steigen gelassener vogel lässt sich auf seinen kopf nieder, und er wird als herrscher anerkannt. Der andere bruder, welcher das herz des vogels gegessen und die fähigkeit des goldspeiens erhalten hat, wird von einer königstochter auf den rat eines zauberweibes zum erbrechen des gegessenen stückes verleitet. Er rächt sich an der betrügerin, indem er sie durch ein zaubergras in eine eselin verwandelt, die durch harte behandlung geplagt wird. Schliesslich trifft er seinen bruder, gibt der eselin wieder menschliche gestalt und heiratet sie. Die mutter der brüder wird von ihnen bestraft.

Dass das märchen im Orient entstanden ist, ist sicher. Es bleibt bloss die frage übrig, ob seine heimat in Indien, Persien oder Arabien zu suchen ist. Eine derart genaue bestimmung kann beim heutigen stand der märchenforschung wohl heikel sein. Doch ist das, was gegen Indien angeführt worden ist, nicht überzeugend. Dass die bis jetzt aufgezeichneten indischen varianten meistens eine vermischung mit anderen märchenstoffen aufweisen, ist wenig beweisend, da doch eine gut erhalten variante (Ja 2) angetroffen ist. Für Indien spricht auch die literarische mongolische variante des Siddhi-Kür. Die wanderung nach Europa, auch nach Russland, hat wohl über die Balkanhalbinsel stattgefunden. Die variante der sibirischen tataren (Cb 1) zeugt keineswegs von einer verbreitung dieses märchens über Zentralasien nach Russland, da sie, wie auch der verfasser bemerkt, deutliche spuren russischen einflusses und somit russischer herkunft trägt.

Die zeit der entstehung des märchens setzt die kenntnis des goldes und die anwendung des zahmen esels oder pferdes voraus. Eine noch nähere zeitbestimmung würde die inschrift am flügel des vogel liefern; da sie aber bloss in den europäischen und einer von ihnen beeinflussten sibirisch-tatarischen variante vorkommt, kann über sie vorläufig nur der schluss gezogen werden, dass sie in Europa nicht vor der kenntnis der lese- und schreibekunst bekannt gewesen ist. Die russische form, worin vom anzünden einer kerze in der kirche die rede ist, kann erst in christlicher zeit entstanden


Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn, Emil Nestor Setälä, Yrjö Wichmann (Hrsg.): Anzeiger der Finnisch-ugrischen Forschungen, Band 9. Red. der Zeitschrift; Otto Harrassowitz, Helsingfors; Leipzig 1909, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anzeiger_der_Finnisch-ugrischen_Forschungen_09_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)