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von Vergewaltigungen türkischer Frauen durch Armenier in Anatolien unter die muhammedanische Bevölkerung ausgestreut wurden, und es scheint unwahrscheinlich, daß ein allgemeiner Angriff und Massacre der Armenier während der einen Nacht, Sonntag, den 27. Oktober, geplant worden wäre.

Nach dem Montag, an dem die Muhammedaner zurückgeschlagen waren, wurden alle Armenier, die außerhalb des armenischen Quartiers in oder vor der Stadt wohnten, angegriffen, attackiert und die Männer erschlagen. Das Quartier wurde belagert und niemandem herauszugehen gestattet. Die Wasserleitung wurde abgeschnitten, und keinerlei Nahrungsmittel wurden hereingelassen. Dieser Zustand der Belagerung dauerte thatsächlich 2 Monate, bis zum 28. Dezember, dem Datum des letzten großen Massacres.

Der armenische Bischof wünschte, die Lage Seiner Majestät dem Sultan telegraphisch mitzuteilen, aber die Behörden verweigerten die Absendung seines Telegramms. In der Verzweiflung über die hoffnungslose Lage seiner Herde zog er sich in sein Kloster außerhalb der Stadt zurück, wo er bis zum zweiten Massacre als Gefangener blieb. Kein Armenier, nicht einmal sein Sekretär, erhielt Erlaubnis, mit ihm zu sprechen, es sei denn auf türkisch und in Gegenwart von Wachen.

In der Nacht des Montags sandten die Armenier im Blick auf ihre verzweifelte Lage, da Post und Telegraph ihnen verschlossen war, einen Boten nach Aintab, um ihre Lage bekannt zu machen und Hilfe zu erhalten. Der Bote wurde indessen arretiert und ist jetzt in Urfa im Gefängnis unter der schweren Anklage, sich durch seinen Dienst einer aufrührerischen Handlung schuldig gemacht zu haben. Ein anderer Bote, der in der Nacht des folgenden Mittwoch abgesandt wurde, erlitt dasselbe Schicksal.

Dienstag, den 29. Oktober, fuhr der Pöbel fort, die Außenbezirke des armenischen Quartiers zu plündern, wobei er von den Zaptiehs unterstützt wurde, die auf und über die armenischen Quartiere feuerten. Nachträglich wurde es von Muhammedanern so dargestellt, als hätten die Armenier auf die Türken geschossen. Mittwoch, den 30. Oktober, langte der Mutessarif Hassan Pascha von Surruj an, wo er etwa 10 Tage gewesen war. Ueber 1000 Muhammedaner, von denen sich die meisten an dem Angriff und der Plünderung der vorigen Tage beteiligt

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/131&oldid=- (Version vom 31.7.2018)