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noch mehr als Arabkir und Malaiin gelitten. Einige angesehene Türken gaben zu verstehen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach größere Unruhen für diese Gegend bevorständen, und sie fügten hinzu, wenn sie kämen, würden sie schlimmer sein, als im Vorjahre.

Den 29. September 1896.

Die Nachrichten, welche ich vorige Woche in Bezug auf Eghin gab, stammten hauptsächlich von zwei unparteiischen Türken, welche sich zur Zeit des Massacres dort befanden. Alle Briefe, die ich gesehen habe, stimmen darin überein, die Zahl der Getöteten auf etwa 2000 festzustellen. (Der amtliche Konsularbericht giebt die gleiche Zahl an.) Im Verhältnis scheinen mehr Frauen und Kinder dies Schicksal erlitten zu haben, als in irgend einem früheren Massacre, von dem ich Kenntnis habe. Viele Tote wurden tagelang in den Straßen gelassen als Nahrung für die Hunde, und eine große Zahl wurde in den Euphrat geworfen. Man sah sie viele Meilen weit unterhalb der Stadt den Fluß hinuntertreiben. In einigen Fällen sind ganze Familien ausgerottet worden. Genaue Statistiken können natürlich jetzt noch nicht gegeben werden, aber man fürchtet, daß 2000 noch zu gering gerechnet ist. Dies ist ein großer Bruchteil einer auf 5–6000 Christen geschützten Bevölkerung. Die Briefe geben die Zahl der Häuser auf 1100 an und von diesen, sagt man, seien nur etwa 150 übrig geblieben. Diese blutige Schlächterei und Feuersbrunst dauerte vom Dienstag, den 15., bis Donnerstag, den 17. Alle Zeugnisse stimmen darin überein, daß das Massacre offiziell veranstaltet war und daß keine Ursache dafür vorlag. Es war kein störendes Element da, außer in der Einbildung einiger Beamten. Sie hatten die Zentral-Regierung alarmiert. Der Vali und der Militär-Kommandant waren fast die ganze Zeit, von Anfang bis zu Ende, auf dem Telegraphen-Amt, und verkehrten mit Konstantinopel. So viel ich erfahren habe, leistete das Volk nicht den geringsten Widerstand und keine Türken wurden getötet, außer vielleicht später, bei der Verteilung der Beute. Es befanden sich keine Kurden am Ort. Das Werk wurde von Bürgern und Soldaten ausgeführt. Das Massacre dehnte sich auf mehrere Dörfer bei Eghin aus; aber wir haben keine Einzelheiten. Die Lokal-Behörde hält an ihrer Versicherung fest, daß weiter kein Blutbad in dieser Gegend stattfinden werde, und es wird ein gut Teil

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)