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Liste giebt Nachricht von 176 zerstörten Dörfern und Städten des Vilajets, in denen 7542 Häuser zerstört und 512 Läden geplündert wurden. Die Gesamtzahl der im Vilajet getöteten Christen wird, soweit Nachrichten vorhanden sind, auf 15 845 berechnet. Die Zahl der Notleidenden, die ohne Unterstützung dem furchtbarsten Elende und zum größten Teil dem Hungertode preisgegeben sind, wird nicht zu hoch auf 100 000 veranschlagt. Bis März dieses Jahres wurden von europäischen Hilfskomitees 60 000 Personen mit Lebensmitteln versorgt, 11 000 türk. Pfd. (220 000 M.) wurden bis zum März verteilt. Mindestens 100 000 türk. Pfd. sind bis zum Winter erforderlich, um die gänzlich ausgeplünderte Bevölkerung am Leben zu erhalten. Es erübrigt noch zu sagen, daß in diesem Vilajet der größte Teil der überlebenden Bevölkerung, um von weiteren Massacres verschont zu bleiben, den Islam annehmen mußte.

Blutbäder im Vilajet Diarbekir.

„Die Kurden kommen am Morgen des 1. November vom Lande in die Stadt, plündern vereint mit den Muhammedanern den Bazar, zünden ihn an und ermorden alsdann die Christen aller Konfessionen. Die Soldaten, die Zaptiehs und die Kurden vereinigen sich, um auf die Christen zu schießen. Die Metzelei dauert drei Tage, obwohl der Vali (Generalgouverneur) vor dem Massacre dem französischen Konsul erklärte, daß er für die Ruhe einstehe.“ (Botschafterbericht.) Die Behauptung, daß die Christen das Massacre provoziert hätten, wurde von den Konsuln als falsch erwiesen, dagegen die sorgfältige Vorbereitung des Massacres vonseiten der Muhammedaner festgestellt. Sogar das Konsulatsgebäude wurde fünfmal, aber erfolglos, von den Kurden angegriffen. Um die Ordnung wieder herzustellen, entwaffnete der Vali die Christen und ließ die Muhammedaner in Waffen. In Diarbekir selbst wurden 2000 Christen getötet, 1701 Häuser geplündert und 2448 Läden verbrannt. Der materielle Verlust wird auf 2 Millionen türk. Pfd. (40 Millionen Mark) veranschlagt. Alle umliegenden Distrikte wurden von den Kurden verwüstet, die Zahl derer, welche ihre Familien dezimiert und ihre Dörfer zerstört sahen, wird auf 30 000 geschätzt. Außer den nachweislich Ermordeten sind weitere 1000 Christen der Stadt und 1000 Dorfbewohner, die in der Stadt arbeiteten, verschwunden. 119 Dörfer des Sandjak

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)