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Ort. Datum. Tote. Verwundete. Bericht über die Ereignisse und ihre Ursachen. Haltung der Behörden und der Bevölkerung.
Eghin. 8. Nov.      In Lidjk 220 Häuser geplündert.
     " Simarn 80       "       "
     " Teghud 140       "       "
     " Musheshgak 160       "       "
     " Narver 60       "       "
      Die Einwohner all dieser Ortschaften wurden teilweise ermordet, die, welche entrinnen konnten, mußten zum Islam übertreten.
Malatia. 29. Okt.       Beim ersten Lärm fliehen die Armenier in ihre Häuser. Die Nachrichten von den Massacren in der Umgegend tragen dazu bei, daß die Unruhen während der folgenden Tage anhalten.
4.–9. November 3000       Die Kurden und Türken werfen sich auf die Christen, 6 Tage lang hält das Massacre und die Plünderung an. Die Armenier flüchten sich in die Kirchen, um der Plünderung und Brandschatzung zu entgehen. Die katholischen Kapuziner werden mißhandelt und geschlagen. Ihr Haus, Schule und Kirche sind niedergebrannt. Am Abend des nächsten Tages werden sie mit einem Haufen armenischer Katholiken in eine große Kaserne gebracht, wo sie 3 Tage und 3 Nächte in einem Zimmer ohne Nahrung zubrachten. Ihr Verlust beläuft sich aus 120 000 Frc. Die Zahl der Toten wird aus mindestens 3000 geschätzt, worunter viele Frauen und junge Leute, Eine beträchtliche Zahl wurde gezwungen, zum Islam überzutreten.
      Alle armenischen Häuser sind niedergebrannt. Die Häuser und die orthodoxe Kirche des Dorfes Gumushmeidan sind geplündert, Am Dorf Mamscha wurden 30 Häuser geplündert.
      24 Stunden lang läßt der Mutessarif den Massaeres und der Plünderung den Lauf. Erst am Abend den 5. ließ er dem armenisch-katholischen Bischof sagen, daß, wenn seine Leute, die in die Kirche geflüchtet waren, beschützt zu sein wünschten, sie ihre Waffen ausliefern sollten. Erst nachdem dies geschehen, gab er zu der Ueberführung in die Kaserne Erlaubnis. Am 6. verfuhr er in derselben Weise mit 3000 gregorianischen Armeniern, die sich in ihre Kirche geflüchtet hatten.
(...)u in ihre Kirchege.. haben.      Erst am 9. Nov. ließ er die Pères in das Haus eines Muhammedaners übersiedeln.
Vilajet Diarbekir.
Diarbekir. 1. Nov. Gregor. Arm. 1000
Kath. Arm. 10
Orthod. Syr. 150
Kathol. Syr. 3
Chald. 14
Griech. 3
Protest. 11
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     1191
Gepl. Häuser 1701,
250

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     Die Kurden kommen am Morgen vom Lande in die Stadt, plündern vereint mit den Muhammedanern den Markt und zünden ihn an, sodann ermorden sie die Christen aller Konfessionen; die Soldaten, die Zapties und die Kurden vereinigen sich, um auf die Christen zu schießen. Die Metzelei dauert drei Tage. Die Türken behaupten, daß die Christen das Massacre provoziert hätten dadurch, daß sie in die Moscheen eingedrungen wären und Muhammedaner getötet hätten. Diese Behauptung ist absolut falsch. Der französische Konsul berichtete am 30. Oktober über mehrere Versammlungen, die im Hause eines gewissen Djemil Pascha stattfanden und denen auch der Scheikh von Zeilan und sein Sohn (die schon in den Massacre von Sassun verwickelt waren) beiwohnten. Die allerschlimmsten Pläne wurden dort gegen die Christen verhandelt. Plakate wurden angeschlagen an die Mauern der Moscheen; die Muhammedaner, falsch berichtet über den Charakter der Reformen, die von Sr. Maj. dem Sultan beschlossen waren, hatten ein Protesttelegramm an denselben gesendet und kündigten ihre Absicht an, sich am Freitag, den 1. Nov. an den Christen zu rächen, falls die Antwort keine zufriedenstellende sein würde. Es ist evident, daß ihrerseits ein bedachter Plan vorlag und die Panik      Aniz Pascha, interimistischer Bali, zeigt offene Feindseligkeit gegen die Christen. Nachdem er die Bestätigung seines Amtes als Vali Anfang Okt. 1895 erhalten hatte, beginnt er damit, sie aufzureizen, und Zwietracht zwischen den Gemeinden und dem Klerus zu säen, indem er diesen zwingt, ein Dank-Telegramm an den Sultan zu unterzeichnen für seine definitive Ernennung zum Vali. Ernste Unruhen drohten im Schoß der Christengemeinden auszubrechen, weil diese ihren geistlichen Häuptern aufs bitterste die Schwäche verdachten, die sie gegenüber dem Vali bewiesen hatten.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Leipzig 1897, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/226&oldid=- (Version vom 11.12.2020)