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Ort. Datum. Tote. Verwundete. Bericht über die Ereignisse und ihre Ursachen. Haltung der Behörden und der Bevölkerung.
Diarbekir. 1. Nov. Gepl. u. verbr. Läden 2448,
     Materielle Verl. 2 Mil. t. Pfd.
     der Christen war gerechtfertigt. Man bemerkte außerdem seit einiger Zeit eine ungewöhnliche Aufregung unter den Muhammedanern, welche beträchtliche Einkäufe von Waffen und Munition machten.
     Mehr als 700 Christen flüchteten sich in das französische Konsulat. Fünfmal wollten die Kurden das Konsulatsgebäude angreifen aber ohne Erfolg.
     Dem französischen Konsul gegenüber, der ihn auf die beunruhigende Aufregung unter den Muhmd. aufmerksam machte, erklärt der Vali, daß er nichts von ihrer Seite fürchte, und daß er für die Ordnung einstehe.
     Im Verlauf des Massacres verweigert er noch am fünften Tage dem französischen Konsul eine Wache für das Innere des Kapuzinerklosters zu stellen.
28. Nov.      Neue Unruhen brachen in der Nacht aus, wurden aber ziemlich schnell unterdrückt. Alle umliegenden Distrikte sind von den Kurden verwüstet. Die Zahl derer, welche ihre Familien dezimiert und ihre Dörfer zerstört sahen, wird auf 30000 geschätzt. Außer den Toten, deren Leichname aufgefunden wurden, sind viele Armenier im Feuer umgekommen, und eine große Zahl von Leichnamen wurden auf Befehl der Obrigkeit in die Flammen geworfen. Tausend Christen der Stadt und tausend Dorfbewohner, die in der Stadt arbeiteten, sind verschwunden. 119 Dörfer des Sandjak wurden geplündert und angezündet.      Um die Ordnung wiederherzustellen, entwaffnet er die Christen und läßt die Muhmd. in Waffen. Er verweigert der armenischen Gemeinde, welche 400 Familien zu ernähren hat, die geringen Unterstützungen, die von der Behörde bewilligt sind, aus dem Grunde, weil der Bischof sich geweigert hat, ein Telegramm zu unterzeichnen, welches die Schuld den Arm. zuschrieb.
31. Dez.      Die Aufregung unter den Kurden beginnt aufs neue und eine starke Panik entsteht unter den Christen.      Abdullah Pascha, kaiserlicher Kommissär und Militär-Komandant bringt die Kurden zur Ruhe.
Mardin. 7. Nov.      Die Stadt ist in großer Gefahr, entgeht aber dem Massacre. Die ganze Gegend ist verwüstet. Das große armenisch-katholische Dorf Telarmen ist vollkommen ausgeplündert, seine Einwohner flüchten sich nach Mardin. Das griechisch-orthodoxe Dorf Pakoz, das mit dem Priester 100 Familien enthält, wird gezwungen, den Islam anzunehmen.      
Vilajet Sivas.
Sivas.      Die Frage der in Kleinasien einzuführenden administrativen Reformen hat besonders das Vilajet Sivas in Aufregung versetzt, wo das armenische Elememt einflußreich und wohlhabend ist. Seit Anfang November durchstreiften nomadisierende Kurden von Vilajet Trapezunt das Vilajet Sivas und plündern, sengen und brennen vereint mit den Muhammedanern armenische Dörfer. Eine Anzahl von Menschen wurde in dieser Zeit in Kara-Hissar, Zara, Divreghi, Derende und Susheri umgebracht.      Der Vali bietet 1000 Mann Redifs (Reserven) und 100 Zaptiehs auf, aber er kann von der Pforte nicht die Autorisation zu wirksamen Maßregeln erlangen.
12. Nov. 1500      Zu Mittag beginnt ein lebhaftes Schießen in der Stadt. Die Massacres und die Plünderung dauern bis 3 Uhr. Die Metzelei, die am 13. ein wenig zum Stillstand gekommen war, begann am 14 aufs neue. Die Zahl der Opfer erreicht 1500. Alle den Armeniern gehörenden Läden sind ausgeplündert, und der Kleinhandel, den sie gänzlich in der Hand haben, ist völlig ruiniert.      Die nach einigem Zögern dem französischen Vice-Konsulat als Wache gesandten Soldaten murren laut darüber, daß sie dadurch verhindert seien, wie ihre Glaubensgenossen an dem Massacre und der Plünderung teilzunehmen.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Leipzig 1897, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/228&oldid=- (Version vom 19.12.2018)