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Ort. Datum. Tote. Verwundete. Bericht über die Ereignisse und ihre Ursachen. Haltung der Behörden und der Bevölkerung.
Sivas.      Am Abend des Massacres riefen die Muezzins von der Höhe der Minarets den Segen Allahs auf die Metzelei herab. Man hat bemerkt, daß die Derwische besonders die Muham. zum Massacre aufreizten.
     Viele vereinzelte und heimliche Morde wurden während der nächsten Tage in der Stadt begangen. Die meisten Opfer wurden mit Aexten und eisernen Stangen erschlagen.
     
3. Dez.      Neuer Alarm.      Der Vali begiebt sich in den Bazar; es gelingt ihm, die Aufregung der Muselmänner zu beschwichtigen.
     Im Umkreis von 10 km um die Stadt ist eine Menge von armenischen Dörfern zerstört und die Einwohner ermordet. Es ist unmöglich, die Zahl der Opfer anzugeben.      
     Alle möglichen Mittel wurden angewendet um die Christen zu zwingen, Erklärungen zu unterzeichnen, in denen die Armenier der Provokation beschuldigt werden und ihre Glaubensgenossen zu denunzieren.      Die Behörde läßt in den muhammedanischen Häusern Nachforschungen anstellen nach gestohlenen Gegenständen, aber sie beauftragt mit dieser Mission einen gewissen Selim Oghlu, der sich in hervorragender Weise bei der Plünderung der benachbarten Dörfer ausgezeichnet hatte.
Gurun. 12. Nov. mehr als 1000      Die von 4000 Armeniern bewohnte Stadt wird von 2000 Kurden, welche, wie man behauptet, nur verkleidete Redifs (Reserven) waren, belagert. Nach viertägigem Widerstand wird die Stadt genommen.      
Tausend Armenier, die sich in ihre Kirche geflüchtet und ihre Waffen niedergelegt haben, sollen geschont worden sein.
     Die Zahl der ermordeten Armenier ist nicht festzustellen; doch lassen offizielle Nachrichten, die nach Sivas gekommen sind, auf eine sehr beträchtliche Zahl schließen.
     Am 28. Nov. lagen noch 1200 Leichname unbeerdigt auf den Straßen.
     Tausend armenische Häuser sind verbrannt, 500 geplündert worden, die Kirchen ebenfalls.
      150 Frauen und junge Mädchen sind von den Kurden weggeschleppt worden.
Shabin-Kara-Hissar-Sharki. 27.–29. Okt.
1. Nov.
Mehr als 3000 in der Gegend      Plünderung und Massacres finden seit Ende Oktober statt. Am 1. November befanden sich 2000 Geflüchtete in der gregorianisch-armenischen Kirche. Gezwungen sich zu ergeben, wurden sie umgebracht, weder Frauen noch Kinder geschont. Man schätzt mehr als 3000, die in der Umgegend von Shabin-Kara-Hissar-Sharki getötet worden sind. Frauen, junge Mädchen und Kinder sind in großer Zahl geschändet und getötet worden.
     An 30 Dörfer wurden geplündert. Zu den am meisten heimgesuchten gehören: Enderès, Busseyr, Anerli, Tamzara, Sirdik, Puck, Sis, Musheinotz, Azputer, Anerghe, Tsiseri, Deghin, Armutdagh. 40–50% der Bevölkerung sind umgekommen.
Tokat. 15. Nov.      Banden von Plünderern versuchten in Tokat einzudringen. Sie wurden von Truppen zurückgedrängt, aber 150 Armenier wurden unter dem Verdachte, zu geheimen Komitees zu gehören, arretiert.      Der Militärkommandant gab Beweise von wirklicher Energie, um die Stadt zu sichern.
     Alle umliegenden Dörfer in der Ebene von Ard-Owa sind gebrandschatzt und geplündert. Da die Plünderer oft nicht im stande waren, alle in den armenischen Häusern vorhandenen Vorräte wegzuschleppen,      Die Imams (höhere Geistliche) und die Truppen nehmen an dem Massacre teil.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Leipzig 1897, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/230&oldid=- (Version vom 31.7.2018)