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nachgekommen sei. Zu den entsetzlichen Blutbädern im vorigen Jahre, denen wenigstens 100 000 Menschen zum Opfer gefallen seien, habe eine revolutionäre Bewegung in Armenien nicht Anlaß gegeben; ohne allen Grund seien die wilden muhammedanischen Kurden, mit offener Unterstützung der türkischen Soldateska, über das armenische Volk hergefallen. Augenscheinlich hätten daraufhin armenische Revolutionäre, als die Vorstellungen der Mächte dem Blutbade keinen Einhalt zu thun vermochten, in Verbindung mit den Jungtürken den Anschlag gegen die ottomanische Bank ins Werk gesetzt, worauf dann wieder von neuem himmelschreiende Greuelthaten seitens der fanatisierten Muhammedaner gegen die armenische Bevölkerung verübt worden seien, für die es keine Entschuldigung gebe, und welche in der ganzen christlichen Welt einen Schrei der Entrüstung geweckt hätten, der auch die heutige Versammlung Ausdruck verleihen solle. (Lebhafter Beifall.)

Herr Professor Fonk aus Beirut (in Syrien), lebhaft begrüßt, erstattete aus eigener Anschauung und auf Grund von Berichten kath. armenischer Missionare eingehenden Bericht über die nun schon seit drei Jahren währende Verfolgung der Armenier. Dieselbe sei eine konfessionelle, eine äußerst grausame und teils mittelbar von der Pforte gefördert, teils unmittelbar von derselben veranlaßt oder gar anbefohlen. (Hört, hört!) Neben 2½ Mill. schismatischer Armenier und 100 000 katholischer, gebe es noch etwa 60 000, die vom Schisma zu verschiedenen protestantischen Sekten übergetreten seien. Welch eine bodenlose Unkenntnis der thatsächlichen Verhältnisse verrate es da, wenn ein Oberkonsistorialrat aus Posen es wage, zu behaupten, die Protestanten hätten „Besserung in die verrotteten kath. Zustände in Armenien“ gebracht! (Sehr gut!) Ohne Unterschied der Konfession gelte unser Mitleid allen diesen unterdrückten armenischen Christen, und es werde auch gewiß den Wenigen nicht versagt, welche unter dem Drucke der Verhältnisse durch die Teilnahme an der aufrührerischen Bewegung eine gewisse Schuld auf sich geladen hätten. Und das sei nur ein ganz winziger Bruchteil des armenischen Volkes. Diese Bewegung habe aber der Pforte willkommenen Anlaß zu der blutigen Christenverfolgung gegeben. Entweder den Glauben abzuschwören, oder den sichern Tod zu erleiden – das sei das Schicksal der Armenier, über welche die Verfolgung hereinbrach; und die türkischen Horden hätten diese Parole in blutigster Weise durchgeführt. An der Hand einzelner Beispiele

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/267&oldid=- (Version vom 31.7.2018)