Seite:Armenien und Europa. Eine Anklageschrift.pdf/271

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

daß mit Hülfe Sr. Eminenz des hochwürdigen Herrn Kardinal-Erzbischofs bereits 2000 M. dorthin abgesandt wären. Bald nachher hat eine Dame unserer Stadt, durch einen Konsular-Bericht aus Klein-Asien über die schrecklichen Greuelscenen unterrichtet, die öffentlichen Blätter zur Sammlung für Armenien veranlaßt. Die gleichzeitigen Sammlungen seitens des Vereins vom Hl. Lande hatten das Ergebnis, daß 6006 M. dem armenischen-kathol. Patriarchen Azarian in Konstantinopel geschickt werden konnten. Noch in der vorigen Woche lief ein Brief des Patriarchen hier ein, in welchem er seine und seiner Glaubensgenossen schreckliche Not schildert. Die armenischen Christen sterben massenweise in den verwüsteten Distrikten vor Hunger. Die Lage ist eine entsetzliche. Der Vorstand des Vereins vom Hl. Lande unter dem Vorsitze des hochw. Kardinal-Erzbischofs entschloß sich, sofort 2000 M. à Konto der noch zu erwartenden Gaben dem Patriarchen einzureichen. (Bravo!) Auf der Konferenz in Fulda hat der deutsche Episkopat sich angelegentlichst mit der Not der Armenier beschäftigt. In derselben Gesinnung, mit welcher die Christen der ersten Zeiten Gaben den notleidenden Brüdern in Jerusalem schickten, haben die Bischöfe Deutschlands sich der bedrängten Brüder in Armenien angenommen. Se. Eminenz haben mich beauftragt, mitzuteilen, daß der Beschluß der Fuldaer Bischofs-Konferenz dahin geht, daß in allen Kirchen sämtlicher Diözesen unseres engern Vaterlandes demnächst eine Sammlung für die armenischen Christen veranstaltet werde. (Bravo!) Ich bin überzeugt, daß die Katholiken der Erzdiözese durch ihre reichen Spenden beweisen werden, wie sehr die Veranstaltung dieser Sammlung ihren Wünschen entspricht. (Bravo!) Alle diese Kundgebungen der Teilnahme gipfeln in dieser imposanten Versammlung. Hier, in der Metropole der Rheinlande, hat sich das christliche Volksbewußtsein mir ganzer Gewalt über die Greuel im türkischen Reiche, welche als eine Schande für die gesittete Welt empfunden werden, kraftvoll geäußert. Die Weltgeschichte ist zu allen Zeiten nicht allein von der Diplomatie, sondern auch durch das Volksbewußtsein beeinflußt worden. (Sehr richtig!) Das ist in diesem Augenblick um so bedeutsamer, je mehr es allseitig beklagt wird, daß die zunächst in Betracht kommenden christlichen Mächte in gegenseitigem Argwohn und Mißtrauen die christlichen Interessen nicht mit dem wünschenswerten Erfolg vertreten. Das Deutsche Reich, welches am Bosporus keine unmittelbaren Interessen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/271&oldid=- (Version vom 31.7.2018)