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Erzerum, Charput und anderen durch einen Trompetenstoß, in Urfa durch das Schwenken einer grünen Fahne vom Minaret das Zeichen zur Attacke gegeben.

Die Beteiligung der regulären Truppen an den Massacres und der Plünderung ist nachgewiesen in Trapezunt, Erzerum, Baiburt, Charput, Malatia, Arabkir, Erzingjan, Segherd, Konkhuli, Mezraa, Sivas, Tokat, Marsivan, Amasia, Diarbekir, Urfa, Marasch, Yenidje-Kale, Biredjik und zahlreichen Landdistrikten. In den meisten Fällen hatte das Militär die Führung. Auch die von der Regierung zur Aufrechterhaltung der Ordnung (?) einberufenen Redifs (Reserven) nahmen überall an der Plünderung und den Massacres lebhaften Anteil. Die Zaptiehs (Gendarmen) verfehlten nicht, ihrem Beispiel zu folgen. Aber nicht etwa nur die Gemeinen, auch die Offiziere selbst der höchsten Chargen, beteiligten sich an der Aufreizung der Bevölkerung und vor allem an der Plünderung und Bergung der Beute, wie schon durch den Botschafter-Bericht festgestellt wurde.

Zum Beweis für die von uns gekennzeichnete Haltung der Behörden wurde schon in unsern ersten Kapiteln viel Material beigebracht. Wir müßten, um das Belastungsmaterial in extenso vorzulegen, die ausführliche Geschichte aller hauptsächlichen Massacres erzählen, was aber wenig Zweck hätte, da dieselben nach einer stereotypen Methode durchgeführt wurden und sich wie ein Ei dem andern gleichen.

Wir begnügen uns daher, noch eine Reihe markanter Illustrationen zu unsern obigen Ausführungen beizufügen. Anführungen aus dem Botschafter-Bericht geben wir in Anführungsstrichen.

In Trapezunt sandte der armenische Metropolitan vor dem Ausbruch der Massacres an den Vali Kadri Bey Abgeordnete, um Schutz zu erbitten. Dieser verschwor sich, daß niemand es wagen würde, die Armenier anzugreifen: Wer euch angreifen wollte, müßte erst über meinen Leib hinweg. Gleichwohl duldete derselbe, daß die Muhammedaner drei Tage lang bedeutende Waffeneinkäufe machten, während die Polizei die Armenier daran hinderte. Auf wiederholte Vorstellungen beruhigte der Vali die Armenier aufs neue, erklärte ihnen aber dann, kurz vor dem Ausbruch des Massacres, wenn sie nicht zwei, eines Angriffs auf zwei Paschas verdächtige Individuen, ausfindig machen würden, gäbe es keine Sicherheit für sie. Bei dem Massacre

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)