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„Die Unterzeichneten haben die Note vom 5. Juli des Jahres erhalten, durch welche die Hohe Pforte dem Paragraphen ihrer Mitteilung vom 11. Juni entsprach, der sich auf die Verbesserungen und administrativen Reformen bezog, welche die ottomanische Regierung durch den 61. Artikel des Berliner Vertrages in den von Armeniern bewohnten Provinzen einzuführen sich verpflichtet hat. Ein aufmerksames Studium dieses Dokuments hat ihnen bewiesen, daß die von der ottomanischen Regierung formulierten Vorschläge weder dem Geist noch dem Buchstaben nach diesem Artikel entsprechen. ... Nichts beweist, daß irgendwelche Verbesserung in der Verwaltung der Justiz eingeführt wurde. Im Gegenteil, zahlreiche Konsularberichte stellen fest, daß die gegenwärtige Lage, was die Unabhängigkeit der Civil- und Straf-Tribunale betrifft, ebenso unbefriedigend, wenn nicht noch schlimmer ist als zuvor.

„Was die Gendarmerie und Polizei anlangt, so versichert die Note vom 5. Juli, daß die Pforte mehrere spezielle Beamte aufgefordert habe, Reform-Vorschläge für diese beiden Kategorien vorzulegen. Die Mächte haben keine Kenntnis von diesen Vorschlägen erhalten, und selbst die ottomanische Regierung war nicht imstande, zu erklären, daß sie ihr selbst unterbreitet wurden.

„Die Unterzeichneten können nicht zugeben, daß die Antwort Euer Excellenz den in ihrer Note vom 11. Juni formulierten Beschwerden auch nur im geringsten gerecht geworden ist. Sie glauben sich um so mehr berechtigt, die in dieser Hinsicht von der ottomanischen Regierung versuchten Anstrengungen auf ihren wahren Wert zurückzuführen, da die Pforte, nach eben dieser Antwort zu schließen, sich offenbar eine nichts weniger als genaue Rechenschaft von der Lage und den Verpflichtungen giebt, welche ihr der Berliner Vertrag auferlegt.

„Die Ausdrücke selbst, in denen sich die Hohe Pforte über die in den von den Armeniern bewohnten Provinzen begangenen oder berichteten Verbrechen bewegt, beweisen, daß sie sich weigert, den Zustand der Anarchie, der in diesen Provinzen herrscht, und den Ernst einer Lage, deren Fortdauer aller Wahrscheinlichkeit nach die Vernichtung der christlichen Bevölkerung in jenen weiten Landesteilen zur Folge haben würde, anzuerkennen.

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/79&oldid=- (Version vom 31.7.2018)