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„Die Note vom 5. Juli formuliert keinen ernstlichen Vorschlag, der dahin zielte, den Excessen der Tscherkessen und Kurden ein Ende zu machen. … …

„Die Mächte würden ohne Zweifel mit Genugthuung die Einführung von Reformen in allen Teilen des osmanischen Reiches begrüßen, aber sie bestehen vor allem andern auf der vollständigen Ausführung des Berliner Vertrages und können nicht zulassen, daß die Pforte sich den Verpflichtungen, die sie in dieser Hinsicht übernommen, überhoben glaubt, indem sie eine Reorganisation vorschlägt, in welcher keine einzige der speziellen Reformen figuriert, welche zu Gunsten der von diesem namhaft gemachten Provinzen ausbedungen wurden.“

Die Kollektiv-Note macht des weiteren der Pforte die eingehendsten Vorschläge in Bezug auf die vertragsmäßig geforderte Reorganisation der Verwaltungs-, Justiz- und Polizeibehörden und schließt: „Die Unterzeichneten lenken noch einmal die Aufmerksamkeit der Pforte auf die Thatsache hin, daß die Reformen, welche in den von den Armeniern bewohnten Provinzen einzuführen sind, nach dem Wortlaut der Verpflichtungen, welche dieselbe durch einen internationalen Akt eingegangen ist, den lokalen Bedürfnissen entsprechen und unter der Ueberwachung der Mächte vollzogen werden müssen.

Die Unterzeichneten u. s. w. gez. Hatzfeldt. Novikow. Goschen, Corti. Tissot. Calice.“

Dies war, zwei Jahre nach dem Berliner Vertrag, der letzte ernstliche Schritt, der von den Mächten unternommen wurde, um die dem unglücklichen armenischen Volke gegebenen Versprechungen einzulösen.

Eine Zirkularnote des Earl Granville vom 12. Januar 1881, welche die andern 5 Mächte noch einmal zu weiteren Vorstellungen bei der Pforte einlud, wurde von denselben ausweichend beantwortet. England hatte auch nichts anderes erwartet, denn der englische Gesandte in Konstantinopel, Mr. Goschen, hatte bereits an Earl Granville geschrieben: „Wenn sie [die Mächte] ablehnen oder nur eine laue Unterstützung gewähren, hat Ihrer Majestät Regierung weiter keine Verantwortung.“ So wurde „die armenische Frage“ zu den diplomatischen Akten gelegt und die Pforte rieb sich die Hände.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)