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verübt wurde. Acht Tage lang wurde der Aermste solchen Foltern unterzogen.

3. Name. Ort. 23 Jahre alt, Lehrer, wird hart geprügelt und vier Stunden lang, den Kopf nach unten, aufgehängt. Sodann läßt man ihn die ganze Nacht durch auf nasser Erde knieen. Endlich bindet man ihm ein Seil um den Hals und schleift ihn eine ganze Strecke auf dem Boden entlang, so daß wenig gefehlt hätte, er wäre erstickt.

4. Name. Ort. 30 Jahre alt. War aus Versehen an Stelle eines andern mit gleichem Namen arretiert worden. Muß 24 Stunden lang im Schmutz sitzen, während Eimer mit Eiswasser über ihn gegossen wurden. Sodann legt man glühende Eisen an seinen Leib und foltert ihn in derselben, nicht zu beschreibenden Weise wie Nr. 2. Als dann der Gouverneur erfährt, daß er nicht der richtige sei, läßt er ihn kommen und sagt ihm: „Mein Sohn, schenke dein Recht, man hat dich aus Versehen mitgebracht.“

5. Name. Ort. 18 Jahre alt, hatte eben seine Studien vollendet. Er wird erst entblößt, unmenschlich durchgehauen, mit dem Kopf nach unten aufgehängt und in dieser Stellung von neuem mit Ruten geschlagen. Endlich muß er hungernd und durstend tagelang im Schmutz liegen. Selbst der Gouverneur prügelt den Armen eigenhändig im Gerichtsgebäude durch.

6. Name. Ort. 45 Jahre alt, wird, obwohl irrtümlich arretiert, zehn Tage lang den entsetzlichsten Qualen und Schändungen preisgegeben, sodann vier Tage lang an in der Höhe eingeschlagenen Nägeln aufgehängt. Dem Tode nahe bittet er um Wasser. Der Gendarm bringt einen Topf mit Wasser, führt ihn aber nur bis zu seinem Munde und schlägt ihm dann den Topf an den Kopf, sodaß er blutet. Nun meldet man dem Aufseher, er sei am Sterben. Man nimmt ihn von den Ketten ab und begräbt ihn als Toten nackt in den Schnee. Einige Stunden bleibt er in dieser Lage – bis man erfährt, daß der Arme irrtümlich arretiert sei. Da man seinen Tod fürchtet, wird er sofort freigelassen.

Es folgen noch siebzehn ähnliche Fälle. Wir denken aber, es ist genug und übergenug. Wir bemerken nur noch, daß gegenwärtig die Gefängnisse so gefüllt sind, daß nur ein Teil der Gefangenen in der Nacht liegen kann. Im übrigen sind die Gefängnisse durch aufgehäuften menschlichen Unrat und jede Art von Ungeziefer derart verpestet, daß

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/97&oldid=- (Version vom 31.7.2018)