Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 021.jpg

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Spuren verblichener Pracht, die damals eine solche Täuschung hervorgerufen oder begünstigt haben mochten. Weder gab es die kunstreichen Zierate an dem eisernen Treppengeländer, noch waren an den Flurdecken die barocken Reliefs zu sehen, die er zu finden erwartet hatte; und der Stiegenteppich, schmal und zerschlissen, schimmerte in einem verblaßten und ärmlichen Purpurrot. Doch das Zimmer, das man ihm anwies, hochgewölbt, mit zwei breiten Fenstern, behaglich eingerichtet und mit dem Ausblick auf die grünpatinierte Kirchenkuppel, versöhnte ihn mit dem trübseligen ersten Eindruck. Er ließ sein Gepäck heraufschaffen und machte sich sofort daran, mit Hilfe einiger Kleinigkeiten aus eigenem Besitz, die er auch auf Reisen stets mit sich zu führen pflegte, wie Briefmappe, Papiermesser, Aschenschale und dergleichen, dem Gasthofzimmer einen leisen Schein von Häuslichkeit zu verleihen. Nachher begab er sich in das Badezimmer, dem wohl anzumerken war, daß es nur nach der widerwillig anerkannten Forderung einer neuen Zeit aus irgendeinem unbenützten Bodenraum für seine jetzige Bestimmung umgewandelt worden war. Eine gelbliche, in die Decke eingelassene Lampe verbreitete spärliches Licht in dem fensterlosen Raum, und durch den länglichen Spiegel, der in einem glatten, alten Goldrahmen an der Wand hing, ging ein Sprung

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 021. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_021.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)