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habe und dieser letzte Augenblick wieder einen letzten, und so weiter: so bedeute das Sterben im Grunde nichts anderes als die Ewigkeit – unter der mathematischen Formel einer unendlichen Reihe. Robert erinnerte sich noch, wie erbittert Otto dieses Gefasel zurückgewiesen hatte; Robert aber, ohne sich für Leinbachs Auffassung gradezu einzusetzen, hatte keineswegs vermocht, sie völlig unsinnig zu finden. Wenn jene Erklärung stimmte, so wußte man freilich nie, zum wievielten Male man irgendeine Sache durchlebte, und überdies war es gleichgültig, da man ja alles unendliche Male zu durchleben verdammt war. – Ach, Unsinn über Unsinn! Eine fragwürdige Erscheinung, dieser Leinbach, und als Arzt überhaupt nicht ernst zu nehmen! Den konnte man natürlich anschwindeln, wie man nur wollte; es war keine Kunst. Mit Otto würde man kein so leichtes Spiel haben …

Das Tor des Gasthofs öffnete sich vor ihm. Als er die Treppen hinaufstieg, standen plötzlich wieder, wie vor beinah zwanzig Jahren, die Wände eines kleinen alten Palastes um ihn; und das verblichene Rot des Stiegenteppichs leuchtete wie Purpur unter seinen Füßen. Zum wievielten Male schritt er wohl diese Treppe jetzt hinauf? Zum hundertsten, zum tausendsten Male? Und immer wieder? Wie oft war sie der arme Höhnburg hinaufgegangen zu seiner

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 039. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)