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ihn selbst verlassen, unabhängig von ihm, wie ein freigewordener böser Geist, in anderen Menschen sein gefährliches Wesen weitertreiben. Doch als er, um sich blickend, an einem nachmittägig belebten Teil der Ringstraße unter vielen Menschen sich völlig unangefochten, ein harmloser Spaziergänger unter andern, fand, zerfloß auch diese letzte Einbildung in nichts.

Unwillkürlich fiel sein Auge auf eine Frauengestalt, die in einem ziemlich armseligen, hellbraunen Mantel, mit einer schwarzen Rolle auf dem Schoße, auf einer Bank saß. Ihr Antlitz war blaß, nicht mehr jugendlich, fast vergrämt; jetzt, aufschauend, lächelte sie kaum merklich und sah gleich wieder vor sich hin. Robert setzte seinen Weg fort und blieb, von einem Landschaftsbild angezogen, vor der Auslage eines Kunsthändlers stehen, als im Spiegelfenster jene Frauengestalt wieder erschien, gesenkten Blickes, eilig vorüberschreitend. Robert wandte sich nach ihr um, sie ging weiter, ohne seiner zu achten, beide Hände in die Taschen ihres Mantels vergraben, aus deren einer die schwarze Rolle hervorragte. Ihr Gang war aufrecht und etwas schleichend; der anliegende, zu enge und zu lange Mantel verriet angenehme, nicht überschlanke Formen. Robert folgte ihr und überlegte, was sie eigentlich sein mochte. Beamtenfrau, dachte er, Buchhalterin? –

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 050. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_050.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)