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früher einmal, in besseren Lebensumständen als heute, zu erwerben Gelegenheit gehabt hatte.

Die Sonne war gesunken, und es wurde empfindlich kühl. Robert ließ den Wagen der Stadt zuwenden. Sie redeten beide nicht mehr, und als er ihre Hand faßte, gab sie ihm den Druck mit unerwarteter Wärme zurück. In ihre müden Züge trat ein Schimmer von Freude, fast von Glück.

In einem kleinen Gasthof, der Robert von ähnlichen Gelegenheiten her bekannt war, stieg er mit ihr ab, nahm ein Zimmer und bestellte ein Abendessen. Während sie es erwarteten, saß sie mit im Schoß gefalteten Händen auf dem blauen Plüschdiwan, und er, eine Zigarette rauchend, ging in dem bescheidenen, aber nett gehaltenen Raum auf und nieder. Über den Betten hingen zwei schlechte Öldrucke, italienische Landschaften mit Staffage vorstellend; rechts der Vesuv, über den Golf von Neapel Rauch und Feuerschein verbreitend, links eine Osteria in der römischen Campagna mit Fuhrleuten, rot und blau gekleideten, breit lachenden Mädchen, im Hintergrund ein Aquädukt mit zerbrochenen Säulen. Nie wird sie mehr von Italien wissen, dachte Robert, als was sie auf solchen Bildern zu sehen bekommt. Und mitleidsvoll-schuldbewußt streifte sein Blick ihren Scheitel. Sie saß noch immer ganz still da in ihrer hochgeschlossenen, etwas zerdrückten, blaugetupften

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 053. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_053.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)