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VI

Am nächsten, einem klaren Spätherbstmorgen, fuhr er auf den Semmering. Erst als er dort sein Zimmer bezogen hatte, von dem er über die Tannenwipfel die Aussicht zu dem mit neuem, klirrblankem Schnee bedeckten Felsenkamm der Rax hatte, verständigte er durch heitere Karten seinen Bruder, den Doktor Leinbach und, ohne recht zu wissen warum, auch den Doktor Kahnberg, daß er sich von der langen Ruhe der letzten Monate ein paar Tage hier zu erholen gesonnen sei. Stundenlang, immer allein, von herber Bergluft angeweht, wanderte er durch kühle Wälder, über besonnte Wiesen hin, mit Bewußtsein nur dem Genuß der Luft und des Lichtes hingegeben, und wehrte alles Grübeln so weit von sich ab, daß ihm auch die fortdauernde unerhebliche Schwäche seines linken Augenlids keinerlei Sorge mehr zu bereiten vermochte. Am zweiten Tag seines Aufenthalts erbat er von seinem Amtsvorstand, Sektionschef Baron Prantner, eine kurze Verlängerung seines Urlaubs, und die zustimmende, in liebenswürdigem Ton gehaltene Antwort trug weiter dazu bei Roberts gute Laune zu erhöhen.

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 057. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_057.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)