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Zwang, den Brigittens rührende Anhänglichkeit auf ihn ausübte, vergeblich aufgelehnt; mit welcher Inbrunst hatte er sich nach seinem pflichtenlosen Junggesellenleben zurückgesehnt, dessen holde Freiheit er einer zwar milden, aber unentrinnbaren Sklaverei aufgeopfert hatte. Und wenn diese Sehnsucht, diese Ungeduld so übermächtig in ihm angewachsen war, wie er sie heute, jetzt, in untrüglicher Erinnerung neu zu empfinden vermeinte, wo war der Beweis, daß Ungeduld und Sehnsucht nicht in irgendeinem Augenblick Wille, daß der Wille nicht endlich Tat geworden war? Wo der Beweis, daß Brigitte wirklich einem Herzschlag erlegen, daß sie nicht vielmehr an einem tückisch ihr eingegebenen Gift verschieden war? Wie er sich ein solches Gift verschafft, wie er es ihr beigebracht, ob er es ihr abends in einen Trank gemischt, ob er sie gezwungen hatte, es einzuschlürfen – von all dem konnte er sich freilich heute keine Rechenschaft mehr geben; aber da es sich nun einmal herausgestellt hatte, daß sein Dasein eine ganze Anzahl solcher völlig ins Dunkel der Vergessenheit gerückter Stunden in sich faßte, warum sollte er den Mord an Brigitten nicht ebenso verübt haben wie den an Alberta? – Den an Alberta –? Was hatte denn Alberta damit zu tun?

Er streckte die Hand nach der Lampe neben seinem Bett aus und schaltete ein. Ebenso rasch, wie sie ihn

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 061. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_061.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)