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dem für einen ersten gemeinsamen Versuch wohlgelungenen Zusammenspiel, dem auch die Mutter mit Vergnügen lauschte; und sie beschlossen, von nun an allabendlich miteinander zu musizieren.

Nicht immer hatte die Mutter Lust oder Zeit, zuzuhören, und so blieben sie oft zu zweien. Es waren Stunden des reinsten Glücks, in denen sie sich, ohne es in Worten auszudrücken, immer inniger aneinanderschlossen; und als er eines Abends nach dem Verklingen des letzten Tons sich erhob und das Notenheft zuklappte, sah sie ihm, die Geige noch in der Hand, ernst und wie fragend ins Auge, worauf er, wie zur Antwort, einen Kuß auf ihre Stirn und dann auf ihre Lippen drückte. Sie schwiegen lange. Als er endlich etwas sagen wollte, wehrte sie leise ab. „Heute nichts mehr, ich bitte dich darum“

Er ging. Als er aus dem Haustor trat, wurde ein Fenster über ihm geöffnet. Er blickte hinauf, Paula, einen weißen Schal dicht um den Hals geschlungen, stand oben in der Dunkelheit und winkte ihm ihren Nachtgruß zu.

Beim Nachhausekommen fand er einen Brief vor. Er kam aus Amerika, die Adresse verriet Albertens Schriftzüge. Also – sie lebte. Das Gefühl von Freude, ja von Befreiung, das ihn plötzlich durchströmte, brachte ihm zum Bewußtsein, daß auf dem Grund seiner Seele jener überwunden geglaubte Wahn immer

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_105.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)