Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 117.jpg

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Irrtümern solcher Art erzählen. Und wie nahe lag ein solcher Irrtum grade in seinem eigenen Fall. Sein Leben lang, mindestens seit Höhnburgs Erkrankung, war er von allerlei Zwangsvorstellungen und schlimmerem Wahn gequält worden und hatte das seinem Bruder nicht nur eingestanden, sondern ihn gradezu gebeten, mit ihm ein Ende zu machen, wenn das Furchtbare Wahrheit würde; nicht gebeten nur, er hatte ihm ein Dokument übergeben, das Otto dazu verpflichtete und zugleich jeder Verantwortung entband. War es nicht vielleicht grade dieses unglückselige Schriftstück gewesen, das in die Seele Ottos zuallererst den Keim der Verstörung gelegt hatte, und hätte sich andernfalls dessen Wahnsinn nicht nach einer ganz anderen Richtung entwickeln können? Glücklicherweise schien Otto selbst seiner Sache nicht ganz sicher, sonst hätte er es wohl nicht darauf angelegt, sich Verbündete zu suchen, um mit seiner Diagnose nicht allein zu stehen. Verbündete waren freilich immer leicht zur Hand, und nun gar hier, wo derjenige, der den Verdacht aussprach, ein Arzt, ein hochgeschätzter Nervenarzt war, von dem keiner ahnte, daß es mit seinen eigenen Nerven nicht zum besten stand, und der Verdächtigte des Arztes Bruder war und ein Mensch dazu, der von Jugend auf als nervös, als ein Sonderling, bei vielen als verrückt gegolten hatte

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)