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den Bahnhof, äußerlich ruhig und zu seiner eigenen Verwunderung auch innerlich nicht allzusehr enttäuscht. – Langsam ging er nach dem Gasthof zurück und sagte sich: Ich werde ein Telegramm vorfinden, oder es kommt eines im Laufe der nächsten Stunden. Entweder hat Paula den Zug versäumt, oder sie hat triftige Gründe, einen späteren zu nehmen. Und wahrscheinlich wird sie erst morgen mittag kommen, nicht nachts um zwei Uhr. Dies war nämlich die Stunde, in der der nächste Zug eintreffen sollte.

Es war kein Telegramm da. Robert trat in das niedrige gewölbte Gastzimmer, an dessen Fenster noch immer, von Rauchdunst umgeben, jene einheimische, bäuerische Gesellschaft zusammensaß. An einem anderen Tisch, ganz allein, saß ein alter Herr, der seine Pfeife rauchte und mit trüben Augen, offenbar ohne zu lesen, in eine Zeitung starrte. Robert, ohne daß die anderen sich um ihn kümmerten, setzte sich in eine Ecke, bestellte ein Abendessen, das er sich vorzüglich schmecken ließ, und überlegte. Bald kam er zu der Überzeugung, daß seine früheren Vermutungen nichts anderes gewesen waren als Selbstbetrug. Wäre Paula ernstlich gewillt gewesen, ihm zu folgen, nichts hätte sie hindern können, zur rechten Zeit dazusein. Aber sie hatte nicht gewollt, sie war nicht gekommen, sie hatte ihn im Stich gelassen.

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)