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darauf rechneten, dem Tode des Verhungerns zu entgehen, daß sie ihn nur zum Weitermarsch bewogen hatten, weil sie dachten, die Vorsehung würde es vielleicht – vielleicht – mit dem Jüngsten von ihnen gnädig meinen.

Aber dieses „Vielleicht“ war eben nichts als ein Wahngebilde, das in nichts zerflatterte, wenn man alle hier mitsprechenden Umstände genau abwog.

Also die Wahrheit: Sicherer Untergang, Hungertod, ein klägliches Ende!

Heinrich schloß unwillkürlich die Augen bei dieser Vorstellung, daß in nicht allzu ferner Zeit seine und seiner Begleiter sterbliche Überreste in diesem endlosen Felsengang verwesen würden.




5. Kapitel.
Das unbekannte Land.

Regungslos saß er da. Wie lange, wußte er selbst nicht. Sein Hirn arbeitete inzwischen mit unheimlicher Schnelligkeit und Genauigkeit. Über die Schwelle seines Gedächtnisses drängten sich allerhand Gestalten, die ihm, soweit seine Erinnerung in seine Kindheit zurückreicht, einst begegnet waren. Zuerst die Eltern – dann der Bruder Karl und liebe Spielgefährten; weiter die Verwandten, darunter der Onkel Steuermann, der für ihn früher stets die interessanteste Persönlichkeit gewesen war. – Und so ging’s fort bis in die Gegenwart hinein – bis zu Werner Seiffert, dem Chemiker, bis zu dem Ingenieur Kräwel.

Sein ganzes Leben durchlebte der Knabe auf diese Weise in kurzer Zeit nochmals mit allen jenen Einzelheiten, die sich seinem Gedächtnis besonders eingeprägt hatten.

Und nun – nun noch dieser Tag, wo er den beiden Gefährten lebewohl gesagt hatte – für immer!

Für immer?! – Nein – das sollte nicht sein.

Empfohlene Zitierweise:
W. Belka: Auf dunklem Pfade. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Auf_dunklem_Pfade.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)