Seite:Aufdeckung eines literärischen Betruges in der Preussischen Geschichte (1832).pdf/5

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als Hofkaplan des Meisters in Marienburg lebte, wie Becker behauptet, denn in keiner der zahlreichen Urkunden Winrichs von Kniprode wird seiner erwähnt, wohl aber sehr oft der eben angegebenen Kaplane des Meisters. Becker hat also offenbar diesen Vincenz von Mainz als Hofkaplan des Hochmeisters erdichtet. Erdichtet ist von ihm aber auch der angebliche Titel der Chronik; dafür spricht schon die Ungereimtheit seiner Zusammensetzung: Chronicon Prussiae ab orbe condito, sive historia Winrici a Kniprode et pars historiae successoris. So könnte wenigstens Vincenz selbst den Titel unmöglich geschrieben haben. – Zu den äußeren Verhältnissen, aus denen wir unsere Gründe gegen die Wahrheit der Aussage Beckers entnehmen, rechnen wir drittens auch den Umstand, daß die Chronik „nach Chronikenart, mit Erschaffung der Welt anfängt, um auf das vierzehnte Jahrhundert christlicher Zeitrechnung zu kommen“, wie Becker sagt. Wir halten nämlich auch diese Angabe für Trug und Lug; denn einmal würde diese Chronik des Vincenz die einzige unter allen Preussischen Chroniken seyn, die mit Erschaffung der Welt anfinge, da es keinem einzigen Chronisten, der über Preussen und den Orden schrieb, je in den Sinn gekommen ist, die Art der Deutschen Chronisten nachzuahmen, ihre Erzählung vom Anfange der Welt beginnen zu lassen. Ferner aber verräth Becker seine Lüge auch schon selbst; denn wenn seine handschriftliche Quelle mit Erschaffung der Welt angefangen hätte, wie war es denn möglich, daß er in seinem Werkchen S. 2 und 3 aus Vincenzens Chronik schon auf den ersten Seiten, nämlich schon p. 6 und p. 8 die interessante Erzählung der Wahl Winrichs von Kniprode und seiner veranstalteten Festlichkeiten finden konnte? War auf fünf Seiten oder Blättern der Chronik die ganze Weltgeschichte bis auf Winrichs Zeit schon abgehandelt? Oder hat nicht vielmehr Becker durch ein unbesonnenes Citat sich in seiner Lügenhaftigkeit selbst verrathen? – Bleiben wir aber bei dieser seiner Art des Citirens aus seiner angeblichen Chronik noch einen Augenblick stehen, so wird es einleuchtend, daß der Betrüger noch kein rechter Meister im Betruge gewesen ist und seinen Betrug vielfältig von selbst verräth. Nachdem nämlich p. 6 und p. 8 von Winrichs Wahl die Rede gewesen seyn soll, sollen p. 30 und p. 36 zwei „donnernde Kreuzpredigten“ des Hofkaplans Vincenz, im J. 1353 gehalten, gestanden haben und p. 68 findet Becker erst den Heereszug des Ordensmarschalls Siegfried von Dahenfeld im J. 1355 beschrieben. Was stand denn aber in der Chronik in den großen Zwischenräumen von p. 9 bis 29 und von p. 37 bis 67? Davon weiß uns Becker gar nichts zu sagen, als was wir auch bei Schütz und in andern Chronisten