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933 niemand dem andern vorauszueilen, ob er gleich ein rascheres Pferd habe; sondern decket euch gegenseitig mit den Schildern, und empfanget so die ersten Pfeile des Feindes. Dann stürzet in vollem Lauf und aufs heftigste anstürmend über ihn her, damit er fühlt, daß eurer Schwerter Streiche ihn erreicht haben, bevor er noch den zweiten Pfeil gegen euch abschießen kann.“ Dieser sehr zweckmäßigen Ermahnung eingedenk, nehmen die Sachsen in gerader Schlachtlinie ihren Anlauf; keiner rennt mit rascherem Pferde dem andern voraus, sondern wie der König es ihnen gesagt hatte, decken sie sich gegenseitig, und fangen so mit ihren Schilden ohne Schaden die Pfeilwürfe auf; dann fallen sie, wie der kluge Feldherr befohlen hatte, mit raschem Anlauf über den Feind her, so daß dieser röchelnd das Leben aushaucht, ehe er des zweiten Pfeiles Blitzstrahl entsenden kann. Und durch die Gnade der göttlichen Barmherzigkeit begab es sich, daß die Ungern mehr an die Flucht als an den Kampf dachten. Da erschien auch das schnellfüßigste Roß seinem Reiter zu langsam; der Schmuck der Pferde und die Zier der Waffen, sonst ihre Lust, gewährte ihnen jetzt keinen Schutz, sondern war ihnen nur zur Last. Die Bogen warfen sie von sich, die Pfeile ließen sie fahren, ja selbst den Schmuck des Pferdegeschirrs warfen sie hin, damit nur die Rosse ungehinderter laufen möchten; denn nur auf rasche Flucht stand ihr Sinn. Allein der allmächtige Gott, der ihnen den Muth zum Kampfe genommen, versagte ihn auch gänzlich die Möglichkeit zu entfliehen. So werden also die Ungern theils niedergemetzelt, theils versprengt; die zahllose Schaar ihrer Gefangenen wird befreit und die Stimme der Wehklage wandelt sich in den Gesang der Freude.

Diesen denkwürdigen und glorreichen Sieg befahl der König in der obern Halle seiner Pfalz zu Merseburg durch eine ζογραφείαν zographian d. h. durch ein Gemälde darzustellen,

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/62&oldid=- (Version vom 2.4.2023)