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939 Wollten wir uns gegen die Ketzer, welche kläffen, daß unser Herr Jesus Christus nicht mit seinem wirklichen Leibe auferstanden sei, auf das Zeugniß der gläubigen Frauen und der andern Jünger berufen, so würden sie uns mit teuflischer Arglist mancherlei Einwürfe entgegensetzen. Wenn sie aber hören, daß der zweifelnde Thomas den Leib des Herrn angefühlt, seine Wundenmale berührt habe, und dann, allen Zweifeln entsagend, ausgerufen: „Mein Herr und mein Gott!“ dann werden die eben noch so lauten Schreier stumm wie die Fische, und erkennen, daß das ein wirklicher Leib ist, der berührt werden konnte, und daß zugleich Gott ist, wer bei verschlossenen Thüren hereintrat. Und daß Thomas zweifelte, war nicht Zufall, sondern Gottes Fügung. So also, so, o frommer König, war der wegen der geringen Zahl der Streiter unverhoffte Sieg ein Rathschluß der göttlichen Vorsehung, welche den Sterblichen zeigen wollte, wie Gott den liebe, der gewürdigt wurde, durch sein Gebet einen so unermeßlichen Sieg mit so geringer Anzahl zu erringen. Denn es ist wahrscheinlich, oder vielmehr ganz gewiß, daß auch du vorher nicht wußtest, wie lieb dich Gott habe; und dieses hat er dich darauf erkennen lassen, indem er dir einen so großen Sieg verlieh. Denn heilige Männer kennen ihr ganzes Verdienst nicht, und wissen nicht eher, als bis sie es erfahren, wieviel sie in den Augen der prüfenden Gottheit gelten; wie wir das entnehmen können aus den Worten, die der Engel zu Abraham sprach, als dieser seinen Sohn opfern wollte. Er sagte nämlich: „Lege deine Hand nicht an den Knaben, und thue ihm nichts; denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest[1];“ das heißt: „ich habe es dir selbst und deinen Nachkommen kund gethan.“ Denn Gott wußte auch, ehe Abraham den Sohn opfern wollte, mit welcher Hingebung ihn der heilige Patriarch liebe. Aber ihm selbst, dem liebenden, war noch nicht

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/88&oldid=- (Version vom 8.4.2023)
  1. 1. Mose 22, 12.