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Ebbe zeigte. Und dabei sollten wir noch das ganze Oberland durchqueren! Doch

„Studio auf einer Reis’
Immer sich zu helfen weiß.“

Heinrich, der das Elbinger Gymnasium besucht hatte und daher mit den dortigen Verhältnissen vertraut war, stöberte in einem ihm bekannten Vorstadtkruge Fuhrleute auf, die aus den Wäldern bei Liebemühl Kohlen nach Elbing gebracht hatten und nun mit ihren leeren Leiterwagen wieder nach Hause fahren wollten. Bald hatte er sich mit diesen geeinigt, daß wir gegen Erlegung einer nicht zu übermäßigen Belohnung bis Liebemühl mitfahren sollten. So rollten wir denn, auf Strohgesäßen plaziert, während Happy sich zu unsern Füßen lagerte, ins Land hinein, mit leeren Taschen, aber wohlgemuten Sinnes; denn Heinrich hatte bereits einen Ausweg ins Auge gefaßt, um sie wieder zu füllen. Unsre erste längere Station sollte in dem romantisch auf Bergeshöhen gelegenen Pr. Holland gemacht werden, wo seit kurzem ein junger Arzt, ein Schulfreund Heinrichs, ansässig war. Diesen hatte er denn auch zum Opfer ausersehen, und er sollte uns aus unserm Dalles retten. Sobald wir also in Pr. Holland angelangt waren und uns im ersten Gasthofe niedergelassen hatten, suchte Heinrich seinen Freund auf, traf ihn auch glücklich zu Hause und trug ihm sein Anliegen vertrauensvoll vor, auf das jener auch mit der liebenswürdigsten Bereitwilligkeit einging. Er begleitete Heinrich in das Lokal, wo wir mit Spannung warteten, freute sich sehr, wieder einmal in akademischer Gesellschaft kneipen zu können und stattete uns mit einer Summe aus, mit der wir bis zu unserm Reiseziel auszukommen vermeinten. Natürlich versprachen wir ihm sofortige Rückerstattung nach Erreichung desselben und hielten unser Versprechen selbstverständlich auch ein.

[81] Am Nachmittage ging es dann weiter, und als der Abend hereinbrach, machten unsre Fuhrleute Halt in einen an der Chaussee gelegenen Kruge, wo wir nächtigten. Da wir nun möglichst billig davonkommen wollten, bereitete die freundliche alte Wirtin auf unsern Wunsch in der Schänkstube ein gemeinsames Streulager, das sie aber mit Kissen usw. möglichst behaglich zu machen sich bemühte. Da am andern Morgen schon früh aufgebrochen werden sollte, gingen wir auch zeitig zur Ruhe, und meine beiden lieben Genossen sputeten sich dabei mit der Nachttoilette, um sich nur ja die besten und molligsten Plätze auf der Lagerstätte zu sichern, so daß mir, der ich zuletzt fertig war, nur ein sehr bescheidenes Eckchen übrig blieb, wo ich mich kaum genügend ausstrecken und einhüllen konnte, worüber die beiden noch dazu schadenfroh lachten. Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten! Die gutherzige Wirtin hatte Mitleid mit mir und nötigte mich, mit der ausdrücklichen Versicherung, es sollte mir nicht einen Pfennig mehr kosten, das große im Zimmer stehende Himmelbett einzunehmen, da es ja doch nicht benutzt würde. Triumphierend stieg ich in die hochgetürmten Kissen, wo ich meine, von der langen Fahrt auf dem Leiterwagen zusammengeschüttelten Gliedmaßen behaglich streckte, und wenn auch für die Jahreszeit etwas warm, wie ein König schlief. Freilich nicht lange Zeit, denn mit meinen lieben Freunden tobte bald ein heftiger Kampf um die wärmende Hülle.

In aller Morgenfrühe ging es dann wieder weiter, und im Laufe des Vormittags hatten wir das Städtchen Liebemühl erreicht, wo wir unsre Equipage verlassen mußten, da deren Weg dort von dem unsrigen abschwenkte. Nach Entrichtung des abgemachten Fahrpreises war unsre Reisekasse wieder sehr zusammengeschmolzen; aber das trübte unsre Stimmung nicht

Empfohlene Zitierweise:
Otto Vigouroux: Aus meiner goldnen Zeit 1857–60. Königsberg i. Pr. 1905, Seite 80–81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_meiner_goldnen_Zeit_1857%E2%80%9360_(Vigouroux).pdf/16&oldid=- (Version vom 17.9.2022)