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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

Der Tod herrscht auch über die Ungeborenen und schließt sie bei sich ein, noch ehe sie zur Welt kommen. Der Tod führt die Hochangesehenen aus ihrer Herrlichkeit hinweg, und sie werden zur Verachtung, wenn sie zu ihm hinabgestiegen sind an den Ort der Finsterniß, wo kein Licht ist. Er scheut sich nicht vor den kronentragenden Königen, weicht nicht schüchtern zurück vor den hochmüthigen und aufbrausenden Ländereroberern; er ist nicht parteiisch zu Gunsten der Angesehenen, nimmt keine Bestechung von den Reichen an, verachtet nicht die Armen und schätzt die Besitzlosen nicht gering. Er ehrt nicht Diejenigen, welche in hohen Würden stehen, macht keinen Unterschied zwischen Guten und Bösen, erweist den Greisen nicht mehr Ehrerbietung als den Kindern und den Gelehrten nicht mehr als den Unwissenden. Diejenigen, welche um Erwerbung von Besitz sich ablaufen und abmühen, sind dort bei ihm von allen ihren Gütern entblößt. Er führt gleichmäßig ab die Sklaven und ihre Herren, ohne die Letzteren mehr zu ehren als die Ersteren. Geringe wie Große sind daselbst, und nicht hören sie die Stimme des Unterjochers. Der Sklave, welcher von seinem Herrn freigeworden ist, kümmert sich dort nicht mehr um seinen ehemaligen Gebieter.[1] Der Tod fesselt und schließt bei sich ein sowohl die Gefangenwärter als auch die in’s Gefängniß Geworfenen. Durch den Tod werden die Gefangenen losgelassen und brauchen sich nicht mehr vor ihren Vorgesetzten zu fürchten. Die Hochgestellten zittern vor dem Tode, aber die Bedrängten harren auf ihn, daß er sie bald wegführe. Alle Reichen beben vor dem Tode, aber die Armen verlangen nach ihm, um von ihren Mühsalen auszuruhen. Der Tod erschreckt die Kraftvollen, wenn sie Seiner gedenken, aber die Kranken warten auf ihn, um ihre Schmerzen zu vergessen. Ferner fürchten sich die jungen Leute vor dem Tode, weil sie, wenn er kommt, ihre Vergnügungen verlassen müssen; aber die hochbetagten Greise, welchen das tägliche


  1. Vgl. Job 3, 18–19.
Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_136.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)