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Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38)

Und nachdem er zuvor von Kleophas und dessen Begleiter, mit denen er auf dem Wege wanderte, nicht erkannt sein wollte, ließ er sich im Hause am Segnen und Brechen des Brodes von ihnen erkennen.

Diese aber schließen sich, wie ich höre, weder offen den Irrlehrern an, noch auch stimmen sie in ihren Werken mit der Wahrheit überein. Denn sie halten sich zwar nicht von uns getrennt, wie die Marcioniten, sind aber auch nicht frommgläubig, wie Christen. Weder gleichen sie jenen Apostaten, welche nur Gemüse oder Brod essen, und betheiligen sich an ihren falschen Opfern, noch sind sie den Gläubigen ähnlich. Es ist uns gestattet, gewöhnliches Brod mäßig zu genießen; aber den Schatz unseres wahren Lebens sollen wir mit Unterscheidung empfangen. Weßhalb haben sich diese Gierigen nicht darin geübt, an wenig Nahrung genug zu haben? Oder weßhalb haben sich diese Schlemmer dann nicht wenigstens daran gewöhnt, ihren Magen mit einer geringen und gemeinen Speise anzufüllen? Weßhalb essen sie nicht lieber nur Brod, welches doch eine leicht zu erlangende, einfache und angemessene Nahrung ist? Aber es ist klar, daß sie nur deßhalb so verkehrt handeln, um jede Abtödtung zu vermeiden. Denn wenn sie wirklich ihren Leib abtödten wollten, so sollten sie sich nicht sättigen und sollten ausschließlich Brod essen; dann würden sie schon recht eingefallen, abgezehrt und zusammengeschrumpft aussehen. So aber ergibt sich klar und deutlich, daß Jene weder gegen ihren Leib noch gegen den Teufel kämpfen, sondern nur durch böse, listige Kunstgriffe, nicht durch fromme Ascese sich eitlen Ruhm zu erwerben streben[1] . . .


  1. Die Handschrift beschließt hier das Brieffragment mit der Bemerkung: „Der Rest des Briefes enthält wieder Beweisstellen aus den heiligen Schriften.“ Diesem Schlußtheil des Briefes muß folgendes Fragment angehört haben, welches sich in einer anderen Handschrift findet: „Diejenigen, welche im Glauben das heilige Brod essen, die essen in und mit demselben den lebendigen Leib des heiligmachenden Gottes. Welche es aber ohne Glauben [258] essen, die empfangen Nahrung gleich sonstigem Leibesunterhalt. Denn wenn Feinde dieses Brod gewaltthätig rauben und verzehren würden, so würden sie gewöhnliches Brod essen, weil ihnen der Glaube fehlt, welcher dessen Süßigkeit empfindet. Das Brod wird nämlich vom Gaumen, aber die darin verborgene Kraft vom Glauben gekostet. Denn das, was gegessen wird, ist nicht allein der Leib unseres Erlösers, wie wir schon kurz vorher gesagt haben, sondern das, was damit verbunden ist, wie wir glauben. Denn es verbindet sich die Kraft, welche nicht gegessen wird, mit dem eßbaren Brode und wird damit zu einem Einzigen für die Empfänger, gleichwie sich die verborgenen Namen der Trinität mit dem sichtbaren Wasser verbinden, so daß dieses die Wiedergeburt verleiht, indem der Geist im Verborgenen über den sichtbaren Wassern schwebt, um daraus auf neue Weise das Ebenbild des himmlischen Adam herzustellen.“ Diese Stelle scheint auf den ersten Blick einen Widerspruch gegen die Kirchenlehre zu enthalten; aber die sonstigen so bestimmten Aeusserungen des Rabulas über die hl. Eucharistie lassen wohl keinen Zweifel, daß daran nur die unvollkommene Fixirung des damaligen theologischen Sprachgebrauchs Schuld ist, welcher von den Accidentien Ausdrücke brauchte, die nur der sinnlichen Wahrnehmung entsprechen. Daß Rabulas die zwei Bestandtheile der Eucharistie, von denen er in allerdings ungenauer Ausdrucksweise spricht, nicht lutherisch als zwei neben einander bestehende Substanzen, sondern katholisch als Substanz und Accidenz auffaßt, ergibt sich schon daraus, daß nach seiner ausdrücklichen Erklärung beide zu „einem einzigen“ Objekte werden. Was er über die Ungläubigen sagt, soll vielleicht nur bedeuten, daß sie die Eucharistie ohne jede sakramentale Heilswirkung empfangen; vielleicht aber war er wirklich der irrigen Meinung, die Gegenwart Christi höre durch ein Wunder auf, wenn Ungläubige (Nichtgetaufte) die Eucharistie genießen wollten. Der Vergleich mit der Taufe endlich ist selbstverständlich nicht zu pressen. Wenn wir freilich unseren Brief mit Johann von Ephesus nicht dem Rabulas, sondern dem monophysitischen Bischof Paulus von Edessa zuschreiben dürften, so würde die ganze syrische Patristik nicht einmal einen scheinbaren Widerspruch gegen die katholische Abendmahlslehre darbieten. Da das Brieffragment des Rabulas an Andreas von Samosata bereits in der Einleitung (S. 159) vollständig übersetzt ist, so haben wir nun sämmtliche noch vorhandenen Prosaschriften dieses Kirchenvaters mitgetheilt.
Empfohlene Zitierweise:
Aphraates, Rabulas, Isaak von Ninive in der Übersetzung von Gustav Bickell: Ausgewählte Schriften der syrischen Kirchenväter (BKV Band 38). Jos. Koesel’sche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_257.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)