Seite:BKV Erste Ausgabe Band 38 382.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38)

Wenn der Teufel ein reines Gemüth durch unkeusche Gedanken verunreinigen will, so versucht er zuerst dessen Standhaftigkeit durch eitle Ruhmbegierde, da die Gedanken letzterer Art Anfangs nicht Leidenschaften zu sein scheinen. So pflegt er gegen ein behutsames Gemüth zu verfahren, welchem er nicht leicht unreine Gedanken unverhüllt beibringen kann.

Wenn es aber einmal, angelockt durch jene ersten Gedanken, seine starke Festung verlassen und sich ein wenig davon entfernt hat, so schickt er ihm Versuchungen zur Unkeuschheit, indem er seine Aufmerksamkeit auf schmutzige Dinge richtet.

Anfangs wird es zwar durch den plötzlichen Andrang derselben erschreckt, weil es sich der Gedanken schämt, welche ihm über Dinge aufstoßen, von deren Betrachtung der die Vorstellung beherrschende Geist bisher weit entfernt gewesen war. Trotzdem sinkt es alsdann von der Höhe seiner früheren Gesinnung herab, selbst wenn es nicht verunreinigt worden ist. Wenn es aber nicht zurückweicht, sondern die ersten Gedanken, welche die Ursache der zweiten sind, entschieden bekämpft, so oft sie sich auf einen Gegenstand der Versuchung richten, alsdann erwirbt sich die Seele durch die steten Angriffe eine Geübtheit in ihrer verständigen Zurückweisung.

[1] Der Stärke und Beschaffenheit jener ersten Leidenschaft entspricht also die Gebundenheit unter diese zweite.

Es ist leichter und besser, den Leidenschaften durch Denken an die Tugenden zu entgehen, als sie im Kampfe zu besiegen. Denn wenn sich die Leidenschaften einmal aus ihrer Ruhe erhoben haben und aufgebrochen sind, um sich zum Kampfe zu stellen, so prägen sie dem Geiste Bilder und Vorstellungen ein, da diese Schlachtordnung große Anstrengungen anwendet, um das Gemüth zu überwinden, und das Gewissen in hohem Grade verwirrt und trübt.


  1. Dieser Absatz fehlt im Griechischen.
Empfohlene Zitierweise:
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38). Jos. Koese’lsche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_382.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)