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Noch heut mit dem Pferd’ in den sichern Kahn

Will drüben noch landen vor Nacht er an.

Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein,
Er braust auf rüstigem Roß feldein.

Aus den Bergen heraus, in’s ebene Land,

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Weit sieht er sich dehnen das Schneegewand.


Weit hinter ihm schwindet so Dorf wie Stadt,
Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.

In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus,
Die Bäume gingen, die Felsen aus;

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So flieget er hin eine Meil’ und zwei,

Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;

Es flattert das Wasserhuhn empor,
Nicht andere Laute vernimmt sein Ohr;

Keinen Wandersmann sein Auge schaut,

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Der ihm den rechten Pfad vertraut.


Fort geht’s wie auf Sammt, auf dem weichen Schnee;
Wann rauscht denn das Wasser? wann glänzt der See?

Da bricht der Abend, der frühe herein,
Von Lichtern blinket ein ferner Schein.

25
Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum,

Und Hügel schließen den weiten Raum.

Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn,
Dem Rosse giebt er den scharfen Sporn.

Die Hunde bellen empor am Pferd,

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Und es winkt im Dorf ihm der warme Heerd.


„Willkommen am Fenster, Mägdelein,
An den See, an den See, – wie weit mag’s seyn?“

Die Maid, sie staunet den Reiter an:
„Der See liegt hinter dir und der Kahn.

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Und deckt ihn die Rinde von Eis nicht zu,

Ich spräch’, aus dem Nachen stiegest du.“

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_012.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)