Seite:Badisches Sagenbuch 036.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Der Fleischer von Constanz.[1]

Wohl wehrt sich die alte, die freie Stadt;
Den herrlichen römischen Namen sie hat,
Und römischen Muth
Und deutschen Muth

5
Und Christenglauben,

Den soll ihr der spanische Henker nicht rauben!

Drum kämpfen die Bürger vom Thurm und am Thor
Und drängen zur hallenden Brücke hervor;
Es hört es der Rhein,

10
Da rauschet er drein,

Es ruft die Söhne
Der See mit der tosenden Wellen Getöne.

Wer streitet am kühnsten für Ehr’ und für Heil?
Das ist der Fleischer mit hauendem Beil;

15
Sonst schlug er den Stier,

Das brüllende Thier,
Heut muß er sie schlachten,
Die ihm nach der Metzig, der blutigen, trachten.

Er steht auf der Brücke zuvörderst im Schwarm,

20
Den Aermel gestülpet, mit nervigem Arm,

Und jeder Streich
Schlägt Einen bleich,
Da kommen die Andern:
Zur Schlachtbank läßt er sie spöttisch wandern.

25
O weh, ihr Brüder! verlasset ihr ihn?

Es doppelt das spanische Heer sich, sie fliehn,
Sie rufen ihn mit;
Doch keinen Schritt
Weicht von der Stelle,

30
Alle Feinde bekämpfet der kühne Geselle.


Vorn Einer und hinten da nahet ein Paar,
Die wildesten Knechte der stürmenden Schaar,


  1. [38] Als sich 1548 die spanischen Söldnertruppen des römischen Kaisers, unter Anführung des Obersten Alfonso Vives, bei der Belagerung von Constanz Petershausens bemächtigen wollten, machten ihnen die Städter jeden Schritt vorwärts mit Löwenmuthe streitig. Hartnäckig vertheidigten sie die Rheinbrücke. Vierzig bis sechszig Metzgerbursche hielten hier in geschlossenen Reihen die Feinde auf, bis hinter ihnen ein Theil der Brücke abgebrochen worden war; dann zogen sie sich schwimmend zu den Ihrigen zurück. Einer aber hielt noch immer Stand; er hatte bereits mehrere Feinde getödtet, Alle abgehalten; bis zwei Spanier auf ihn losstürzten, sein Schwert unterliefen und ihn zu Boden zu stürzen suchten. Als er lange widerstanden, umfaßt er seine beiden Feinde mit gewaltigem Arme, drängt sie gegen den Rand der Brücke und begräbt sich sammt ihnen in den Fluthen des Rheines.
    (Siehe Gust. Schwabs: „Der Bodensee nebst dem Rheinthale etc.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)