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Und aus den Wellenschäumen,

100
Erfrischt vom Morgenthau,

Mit Reben, Wiesen, Bäumen,
Winkt ihm die Mayenau;
Und eine selige Gestalt,
Die Arm’ entgegenbreitend,

105
Ruft ihn mit Allgewalt.


Da wird sein Auge trüber,
Sein Haupt sinkt auf die Brust,
Er lenkt den Kahn hinüber
Von Liebe weg und Lust.

110
Im Walde vor dem Landcomthur

Steht er: im deutschen Orden
Will Gott er dienen nur.

Und einen Freund er sendet
Zur grünen Mayenau,

115
Den letzten Gruß er spendet

Der herzgeliebten Frau.
Da löscht die Hochzeitfackel aus,
Die ihr im Geist entglommen,
Und starb in Nacht und Graus.

120
Und als aus tiefem Leide

Sie wieder hob den Blick,
Da glänzt im Blumenkleide
Das Eiland, wie im Glück;
Da goß ein Rebenblüthenduft

125
So süß Erinnrungsträume

Durch die gewürzte Luft.

Jetzt kam, was Ruhe bringet,
Ihr vor die Seele hell,
Die Fluth, die sie umringet,

130
Zertheilt ihr Nachen schnell;

Es geht die schöne blasse Maid
Durch ferne Lande schweigend,
Im Blick der Liebe Leid.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_050.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)