Seite:Badisches Sagenbuch 089.jpg

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Bäuchlings streckt er nun die Glieder
Auf des Fasses Wölbung nieder,
Wie der Vampyr lechzt nach Blut;

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Ihm als Rüssel dient der Heber,

Saugend in die durst’ge Leber
Blüthenhauchumwallte Fluth.

Ha, wie saugt er, ha, wie schnaubt er!
Immer tiefer senkt das Haubt er

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In die Würzedüfte schwer.

Selig aus die Arme breitend –
Aber, ach! dem Rand entgleitend,
Stürzt er in des Fasses Meer.

*     *     *

Lange hielt dafür der Orden,

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Daß der Bruder flüchtig worden,

Bis der Kellermeister starb,
Offenbarend dem Konvente,
Als er nahm die Sakramente,
Wie der Arme einst verdarb.

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Alle staunen dieser Kunde,

Lauschen schaudernd seinem Munde:
„Heimlich hab’ ich ihn verscharrt,
Unsers Kellers Ehr’ zu wahren
Und den edlen Wein zu sparen …“

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Doch wohin? – Sein Mund erstarrt.


Unentdecket blieb die Leiche.
Nachts im Keller, sagt man, schleiche
Nun der Meister auf und ab,
Nie der Strafe Last entbunden,

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Bis der Bruder einst gefunden

Auf geweihter Statt ein Grab.

Ignaz Hub.     
(Original-Mittheilung.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_089.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)