Seite:Badisches Sagenbuch 155.jpg

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den Armen, oder beim Eingang des Schloßplatzes eine schwarzgekleidete Frauengestalt, eine mit Kostbarkeiten aller Art angefüllte Truhe bewachend und sehnlich auf Erlösung harrend, welche doch nur dann erfolgen könne, wenn sie von einem durchaus reinen Jüngling einen Kuß erhalte, welches Liebeswerk dann mit dem reichen Schaze belohnt werde; doch so groß auch das Verlangen darnach sey, Keiner habe zu dem Erlösungskusse sich noch verstehen wollen, da Jeder, der diesen Versuch mache, aber hinsichtlich seiner Keuschheit sich nicht fleckenlos bewahre, einen schlimmen Ausgang zu gewärtigen habe.

J. A. Rueb.


Tänze auf Kreuzwegen.

Auf dem Hauensteinischen Schwarzwald und im benachbarten Frickthale geht folgende Sage im Volksmunde:

Wenn vor Zeiten in diesen Gegenden tugendhafte Mädchen zwischen dem Tage des Verlöbnisses und jenem der Trauung als Bräute starben, so mußten sie so lange ruhelos umherirren und auf Kreuzwegen ihre Tänze halten, bis ihr Bräutigam, der nicht mehr heurathen durfte, ebenfalls gestorben war. Auf diese Art wurden auch früh im Leben Getrennte dennoch im Tode wieder vereint. –

Wenn aber ein Mädchen starb, welches ihrem Verlobten untreu geworden war, so mußte ihr Geist an einem Kreuzwege so lange sich aufhalten, bis zur Mitternachtstunde ein Mann vorüberging, der, die Liebe seines treuen Weibes verschmähend, auf sündhaften Wegen wandelte und demselben Leid und Schmach zufügte. Das gespenstische Mädchen tanzte dann mit dem Unglücklichen so lange bis er todt dahinsank, woselbst er ruhelos bis zum Tode seines Weibes sich herumtreiben mußte.

J. A. Rueb.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)