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Seine Tochter Gela blühte

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Einer Maienrose gleich;

Doch sie trug ein fremd Verlangen
In dem Herzen zart und weich.

Oft, wenn sie vom Rheingestade
Zu dem blauen Himmel sah,

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Mußte sie die Hände falten,

Wußte nicht, wie ihr geschah.

Einstmal, in des Herbstes Tagen,
Unter Bäumen gelb und roth,
Reichte sie den kleinen Schwestern

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Mütterlich das Abendbrot.


Sieh, da kommt ein fremder Priester
Von den Bergen auf sie zu,
Aus dem edeln Antlitz strahlet
Eine wunderbare Ruh’.

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Um ein Obdach will er bitten,

Aber Walter eilt daher,
Sieht ihn an mit finsterm Auge,
Denn die Christen haßt er sehr.

Doch der Sohn der Fremde bietet

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Ihm gar traulich seine Hand:

„Gönne mir für heut ein Lager,
Denn ich komm’ aus fernem Land.

„Wandernd muß ich Ihn verkünden,
Der vom Himmel niederstieg,

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Der dem Tod den Stachels raubte

Und der Hölle ihren Sieg.

„Nimmer darf und werd’ ich grollen,
Stößest du mich auch von hier;
Schlägst du mir die eine Wange,

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Reich’ ich still die andre dir.


„Dies ist meines Meisters Lehre;
Liebe war sein erst Gebot,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)