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Landolf, in der Richter Mitten,

Sitzt dem Bruder gleich an Bleiche.

Weh! und aus des Todten Kehle
Steigen Laute, halb verloren:
„Was beraubst du meine Seele,

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Bruder?“ – weht’s ihm durch die Ohren.


„Ja, ich zeuge diesem Frommen,
Daß mein Erb’ ihm zugefallen;
Gib zurück, was du genommen,
Laß getrost in’s Grab mich wallen!“

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Landolf sank in’s Knie mit Beben:

„Nimm dein Gut, Herr, und das meine,
Meinen Athem nimm, mein Leben!
Und behalte neu das Deine!“

Doch es wandte sich die Leiche

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Mit dem Führer in die Berge,

Sehnte sich, die müde, bleiche,
Wieder in die Ruh’ der Särge.

Wie des Abendlichtes Streifen,
Wie vom Mond zwei blasse Strahlen,

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Sah man längs dem Berg sie streifen,

Bis sie in den Wald sich stahlen.

Und vom schrecklichen Gerichte
Eilet Landolf heim zum Rheine
Mit erbleichtem Angesichte,

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Ordnet er zu Haus das Seine.


Setzt das Kloster ein zum Erben
Seiner reichen Doppelhabe,
Neigt das Haupt zum sanften Sterben,
Ruhr beim Bruder bald im Grabe.

Gustav Schwab.
(Siehe Gustav Schwab’s „Der Bodensee nebst dem Rheinthale etc.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_171.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)