Seite:Badisches Sagenbuch 231.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– Ein Thränenstrom, nicht der erste, entstürzte den Augen der Unglücklichen.

„Ich komme Euch zu retten, Helena! Wir wollen jetzt nicht länger berichten oder klagen. Der Augenblick ist kostbar. Folgt mir ungesäumt!“

Wie ein Schiffbrüchiger das rettende Brett umklammert, faßte Helena des Fräuleins Arm, an dem sie hinausgezogen wurde aus den schauderhaften Gängen des Thurmes in die freundlichen Räume der Schöpfung.

Die zwei Freudinnen näherten sich wortlos einem engen Pförtchen, zunächst dem Hauptthore. Adelgunde besaß einen heimlichen Schlüssel. Das Pförtchen wurde leise aufgethan, und schnell huschten sie Beide hinab in den Garten.

Burkhard sah sich eine Weile um – es war Alles ruhig – rasch eilte er den Fliehenden nach, zugleich von Außen das Thörlein verschließend; eine List, durch welche die Verfolger mindestens einige Zeit aufgehalten würden. Der Garten war mit einer hohen Mauer umgeben. Inwendig von der Mauer herab hing eine Strickleiter; dieselbe benutzend erreichten die Flüchtlinge das Freie. Helena wollte niederknieen und dem Himmel ihren Dank opfern; aber das Fräulein von Bärenfels ergriff ihre Hand: „Noch sind wir nicht außer Gefahr, Helena! Ein dankbarer Blick nach Oben ist das kürzeste Gebet. Laßt uns von dannen eilen!“ Sie schlugen einen wildverwachsenen Pfad ein, der sich südlich hinab bog.

Erst als sie eine ziemliche Strecke von Bärenfels entfernt waren, erlaubte sich Adelgunde, einige Fragen an Helena zu richten, ihre Gefangennehmung durch Ruprecht und den Steinegger betreffend. Aus den gegebenen Antworten erfahren wir etwa Folgendes:

Bernhard von Oeflingen, erst seit Kurzem Helenens Gemahl, zog mit seiner geliebten Gattin nach seinem Stammschloß. Unterhalb Hasel fiel plötzlich ein Haufe, gleich Räubern, über den kleinen unvorbereiteten Zug. Das bis zur Ohnmacht erschrockene Weib wurde aus den Armen Bernhards gerissen, der, von einem gewaltigen Hiebe getroffen, niederstürzte, und die Unglückliche auf einem schnellen Rosse davon geführt.

„Ach, wenn die Unholde den Geliebten getödtet hätten,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)