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Und bis sie’m helfe will, sen isch’s scho hi,

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Und rüehrt si nit – e flösche Bueb isch’s gsi.


Jez rüstet sie ’ne Grab im tiefe Wald,
Und deckt ihr Chind und seit: „I folg der bald!“
Sie setzt si nieder, hüetet’s Grab und wacht,
Und endli stirbt sie in der nünte Nacht.

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Und so verwest der Lib in Luft und Wind.

Doch sitzt der Geist no dört und hüetet’s Chind;
Und hütigs Tags, de Trunkene zum Tort,
Goht d’Chand’res Stroß verbei an selbem Ort.

Und schwankt vo Chander her e trunkne Ma,

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Se sieht’s der Geist si’m Gang vo witem a;

Und füehrten abwärts, seig er wer er sey,
Er loßt en um kei Pris am Grab verbei.

Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüft und hott,
Er bsinnt si: „Bini echterst, woni sott?“

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Und luegt und lost, und mauet öbbe d’Chatz,

Se meint er, ’s chrei e Guhl an sellem Platz.

Er goht druf dar und über Steg und Bruck,
Se maut sie eben all’wil witer z’ruck;
Und wenn er meint, er seig jez bald dehei,

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Se stoht er wieder vor der Weserei.


Doch, wandle selli Stroß her nüchteri Lüt,
Se seit der Geist: „Ihr thüent mi’m Büebli nüt!“
Er rührt si nit, er loßt sie ordeli
Passieren ihres Wegs. – Verstöhntder mi?

J. Peter Hebel.


Istein.[1]

Von Basel kommt gezogen
In stolzem Lauf der Rhein,
Da beugen seine Wogen
Zur Rechten plötzlich ein;


  1. [245] Die gewaltige Felsenmasse, der Isteiner Klotz benannt, bildet einen Vorsprung des Gebirges am Ufer des Rheins, drei kleine Stunden von Basel und ebensoweit von Lörrach entfernt – 237 Fuß erhebt sie sich über dem Spiegel des Rheins, dessen grünliche Fluthen ihren Fuß bespühlen, und 1019 Fuß über die Meeresfläche. Auf dem Gipfel eröffnet sich eine paradiesische Fernsicht: im Hintergrunde die Schneehäupter der Gletscher und im Vordergrunde das sich immer mehr modernisirende Basel mit seinen reizenden Umgebungen; gegenüber dem Fellenufer die gesegneten Ebenen und weinreichen Berge des Elsaßes mit zahllosen Städten und Dörfern! [246] Ein romantischer Fußpfad führt von dem Dörfchen Kleins-Kems über diesen Felsen nach dem Pfarrdorfe Istein, an einer idyllisch gelegenen Mühle vorbei. Dieser Ort ist eine Grundherrschaft des Freiherrn von Freistädt und durch vorzüglichen Weinbau bekannt. Von da zieht sich eine majestätische Felsenwand, durch welche – ein bewunderungswürdiges Werk – der Tunnel der Freiburg-Baseler Eisenbahn führt, dem Rheine nach abwärts. In dieser Felsenwand ist auch die Wallfahrtskirche zu St. Veit eingehauen.
    Nahe bei dem Isteiner Klotz steht die bereits erwähnte Felsenmühle, welche noch an folgende Sage erinnert:
    Als zu Ende des 17. Jahrhunderts die Franzosen von Zeit zu Zeit durch Ueberfälle und damit verbundene Plackereien die dortigen Rheinbewohner ängsteten, floh ein schönes, aber armes und schutzloses Mädchen in finsterer Nacht zu der Stätte, wo jetzt die Felsenmühle steht, verbarg sich daselbst in einer Kluft und ward allnächtlich von der heiligen Jungfrau, deren Hülfe sie angefleht, mit Speise und Trank versorgt, bis die Gefahr vorüber gegangen war. Zum Danke dafür stiftete die fromme Jungfrau späterhin das Bild ihrer Retterin in die Wallfahrtskirche.
    Fromme reine Mädchen sollen von diesem Gnadenbilde stets mit einem himmlischen Gruß bewillkommt und ihnen ein glückliches Loos bedeutet werden.
    (Vergl. Pfarrer J. Schneider’s Werkchen: „Das Badische Oberland.“ etc. Lörrach, 1841.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_243.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)