Seite:Badisches Sagenbuch 255.jpg

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so daß der Pfarrer oftmals bei dem Abt von St. Blasien, dem die Pfarrei zustand, sich beklagte und eine andere Wohnung haben wollte. Der Abt gab ihm aber kein Gehör, und so baute sich der Pfarrer endlich ein eigenes Haus, um den Geist los zu werden. Das geschah auch, denn der Geist zog nicht in das neue Haus ein. Als der Pfarrer todt war, kaufte der Abt das neue Haus der Wittwe ab, ließ das alte niederreißen und aus dem Platze einen Garten machen, den man von dem Geiste den Rüdy-Garten hieß.

Die Leute nannten nämlich den Geist Rüdy (Rudolf); es war ein Kapuziner, der die Hausleute oft neckte, und sich in allerlei Gestalten verwandeln konnte. Oft erschien er als Knecht, und wenn er eine Arbeit verrichtete, so war es immer sehr gut gethan. Die Dienstboten wußten, daß ihnen, besonders zur Erndtezeit, Rüdy allzeit behülflich war, wenn sie die Früchte in die Scheuer brachten, wo er die Garben ihnen abnahm. Er trug Holz und Wasser, und man hätte sich über ihn nicht beklagt, wenn er nicht durch seine vielfachen Neckereien die Leute zu arg erschreckt hätte. Wenn zuweilen die Pfarrer aus der Nachbarschaft ihren Amtsbruder in Obereggenen besuchten, so sahen sie ihn zum Taubenschlag heraus schauen und fanden ihn zugleich leibhaftig im Hofe stehen, denn Rüdy hatte seine Gestalt im Taubenschlage angenommen. Wenn das Gesinde zu Nacht aß, so fing Rüdy manchmal an, das Kind zu wiegen, stürzte auch zuweilen Nachts die Wiege auf die Seite, ohne dem Kinde zu schaden. Da ober dem Ofen ein Zugloch in das obere Zimmer war, so machte der Geist oft ein Geräusch, wie das Wirbeln einer Trommel, warf auch Nüsse, Erbsen und Bohnen herab, so daß die Leute am Boden ausglitten. Holte man Wein im Keller, so klopfte Rüdy hinten am Faße, so lange als noch etwas darin war.

Es kam einmal zu dem Pfarrer ein naher Vetter von der Universität, der auch von dem Hausgeist hörte. Der Pfarrer sagte ihm, daß Rüdy Niemanden etwas zu Leid thue, wenn man ihn ruhig lasse. Das machte dem Studenten Muth, er nahm seinen Degen und wollte den Geist sogleich im Keller aussuchen. Der Knecht ging mit ihm und blieb mit dem Licht an der Kellerthüre stehen. Der Student aber ging die Stiege halb hinab,

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_255.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)