Seite:Badisches Sagenbuch 326.jpg

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mehr ist. Was nun die Demuth angeht, so war’s ein altes Buch aus staubigem Winkel, ein Gasthaus für Spinnen und Schaden, das so viel Unglück in ihr Leben brachte. – Bevor ich jedoch vom Unglück rede, will ich der Demuth Glück ein bissel näher beschreiben.

Der Kronenwirth zu Kandern hatte ein prächtiges eigenthümliches Haus. Es war drei Stockwerke hoch, mit schön aufgerüsteten Betten in den Stuben, und Spiegel und Vorhänge an den Fenstern, ganz vornehm. In der Küche hätte man ein Pferd müde reiten können, und am Herd hat man für sechzig Mann gekocht, mehr denn nur einmal. Die Speisekammer war hell und groß und trocken und voll von guten Sachen. Im Keller lag der beste Markgräfler, Klingelberger und Burgunderwein, Faß an Faß. Vierzehn Kühe standen im Stall, die gaben die Milch wie aus Brunnenröhren von sich. Der Hühner im Hof waren so viele, daß man gar nicht alle Eier finden konnte, die sie per Tag legten. Zwei Gärten am Haus; der eine voll von Gemüs und Suppenkraut, auch Selleriewurzeln; der andere gesteckt voll von Obst, groß und klein. Alle Kisten und Kasten voll Weißzeug, das schönste im Land; Kupfergeschirr und ein Dutzend silberne Löffel von den feinsten. Viele Aecker mit Hanf und Flachs bestellt, wie’s sonst gar nirgends vorkommt; alle Morgen einen guten Kaffee in schönen Porzellanschüsselchen. Sechzehn Dienstboten alt und jung, und endlich gar ein fürnehmer Wagen zum Ueberlandfahren in der Remise. Die herzigsten Kleider von der Welt und Schmuck von Edelstein; ein Ehemann, der nur immer sagte: Was Du willst, mein Schätzel; und nach Verlauf von ein paar Jahren ebenfalls ein Paar Kinderlein wie Milch und Blut: ein Männlein und ein Weiblin. Demuth konnte ihre Kindbetten aushalten wie eine Kaiserin, und die Kinder hob immer der gnädige Herr Oberamtmann aus der Taufe. – Ja, das war ein Leben, wie in der Schlarafferei; es ging nichts darüber und es schien auch gar nicht ein End nehmen zu wollen. Aber der Teufel ist verschmitzt. – Wenn der Müller, der die Hurrle hatte, und immer mit ihr in der Bataille lebte, des Kronenwirths Glück und der Demuth Himmelreich in der Nähe betrachtete, wollte er nicht selten vor Kummer und Neid

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_326.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)