Seite:Badisches Sagenbuch 338.jpg

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sein eigen sey, und weidete sich an dem Jammergeschrei der Unglücklichen. – „Hab’ ich nun das Rechte getroffen,“ – rief er mit teuflischem Vergnügen – „um dem ewigen Singsang in deinem Häuslein ein Ende zu machen? Ist ja doch dort ein Lachen und Jubeln ohn’ Ende! Doch, damit du siehst“ – fügte er noch hämischer hinzu – „daß ich auch deinen Kopf gelten lassen will, so merk’ auf, was ich dir jetzt sage! Du weißt, ich esse gerne Kirschen, und heute Abend habe ich große Gesellschaft. Bringst du mir nun diesen Kirschbaum hier, so wie er dasteht, noch vor Mitternacht in meinen Saal, so daß ich und meine Gäste die Früchte davon brechen können, so bleibt nicht allein deine Tochter bei dir, sondern du sollst auch nebst all den Deinigen frei seyn. Ich habe schon bemerkt, daß du schon lange im Stillen damit umgehst, von mir los zu kommen. Aber merke dir wohl: noch ehe die Thurmuhr zwölf ausgeschlagen hat, muß der Baum in meinem Saale stehen!“ Mit diesen Worten entfernte sich der Ritter, ohne eine Antwort abzuwarten und noch lange hörte man von ferne sein dumpfes, abgebrochenes Lachen.

Der gute Kaspar war der Verzweiflung nahe. Er kannte den Ritter zu genau, um eine Abänderung seines Befehls hoffen zu dürfen und übersah mit Einem Blicke das Elend seiner Lage. Die Flucht zu ergreifen, war unmöglich und eben so unmöglich schien es ihm auch, je die Bedingung zu erfüllen, unter welcher allein seine Tochter zu retten war. Denn, einmal im Schlosse drinnen bei dem Ritter, war sie verloren! Umsonst warf sich ihm Gundchen um den Hals; ihre Zärtlichkeit vermehrte nur noch seinen Jammer; und als vollends auch noch die Mutter dazukam, war des Wehklagens und Weinens kein Ende, die Steine hätten gerührt seyn mögen. Da fiel das gute Gundchen auf die Kniee nieder und betete recht inbrünstig, daß doch der Himmel sie nicht verlassen möge. Und siehe, als sie so zu Gott flehte und die Anderen weinten, zuckt’ es plötzlich wie ein Blitz am heiteren Himmel, die Erde bebte, ein Windstoß fuhr durch die Gebüsche und aus der Tiefe der Erde ließ sich eine Stimme vernehmen: „Wehe, wehe! Seine Stunde hat geschlagen; dreimal Wehe!“ – Voll Entsetzen floh Kaspar mit seiner Frau und den Knaben von dannen, ihr Haar sträubte sich empor, nur Gundchen folgte ihnen langsam und beruhigt, denn sie wußte nun gewiß, daß

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_338.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)