Seite:Badisches Sagenbuch 389.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch

Zeit der Säkularisation eine gefürchtete Aebtissin. Das Klostergebäude aber wurde damals von den Herren von Hermann zu einer Baumwollspinnerei angekauft, und später nach einer großen Feuersbrunst, in eine Bierbrauerei verwandelt.

*) Wo sich ihre Nachfolgerinnen, trotz mancherlei Gefahren, und trotz jenes schrecklichen Tages, da ein Wolkenbruch das ganze Thal überschwemmte, und nicht nur die Lebenden aus dem Kloster vertrieb, sondern selbst die Grabsteine aufriß und die Gebeine der Todten fortschwemmte, so wohl befanden, und namentlich die Nachbarschaft der muntern Freiburg so lieb gewannen, daß sie schwerlich mehr auf irgend einen Austausch eingegangen wären.

(Siehe Jos. Bader’s „Freiburg und seine Umgebungen.“ Freiburg, 1838. Herder)


St. Ottilien.

Ottilia, die Tochter des Elsäßischen Herzogs Attich, war im Kloster zu Mayenfeld erzogen worden und hatte frühe schon in ihrem Herzen gelobt, den Schleier zu nehmen. Als sie einst aus ihrem Kloster an das Hoflager ihres Vaters zum Besuche kam, ward Alles von ihrer Schönheit und Geisteshöhe bezaubert. Bald fanden sich Fürsten und Grafen genug ein, die um ihre Hand warben, darunter auch ein reicher Allemanne, der sich bei dem Herzog so sehr in Gunst zu schmeicheln gewußt hatte, daß dieser darauf bestand, seine Tochter solle dem Klosterleben entsagen und dem stattlichen Freier ihr Jawort geben. Ottilie aber hielt fest an ihrem Gelübde und da ihr Vater immer dringender wurde und sie keinen andern Ausweg mehr sah, beschloß sie, die Flucht zu ergreifen. Sie entledigte sich ihrer kostbaren Gewänder, hüllte sich in ein ärmliches Pilgerkleid und gelangte solcherweise glücklich an den Rhein, wo ein Schiffer sie alsbald an das andere Ufer brachte. Ihre Flucht blieb nicht lange verborgen, und der Herzog sandte seine Leute nach allen Richtungen aus, die Ungehorsame aufzusuchen. Er selbst durchstreifte die ganze Gegend und schlug endlich zufällig denselben Weg ein, den die Flüchtige genommen. Der Fährmann, welcher sie übergeschifft, beschrieb ihm ihr Aeußeres so genau, daß ihm kein Zweifel mehr darüber blieb und er sich und sein Gefolge unverzüglich an’s andere Ufer übersetzen ließ.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch. Karlsruhe: Kreuzbauer und Kasper, 1846, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_389.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)