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Sagen aus der Baar.[1]
Das Kolmen-Weibchen.

Oberhalb des großen Hofes in der zur Pfarre Friedenweiler, Bezirksamts Neustadt, gehörigen Thalgemeinde Schwärzenbach, wird die Höhe der Kolmen genannt. Die Umgebung desselben ist der Aufenthalt eines sogenannten Bergweibchens,


  1. Baar bezeichnet überhaupt eine Gegend, nicht aber eine abgeschlossene Grafschaft, weßhalb es gewöhnlich als Anhängewort gebraucht wird, z. B. Bertholdsbaar, Adelhartsbaar, Albuinsbaar etc. Dieser große Gau grenzt westlich an den Breisgau und die Ortenau, nördlich an den Nagold- und Sülchgau, östlich an die Schwäbische Alp und südlich an den Eritgau, Hegau und Albgau.
    Neben einem festen und doch heiteren Glauben, der des Lebens Lustbarkeit nicht ausschloß am ersten Maitag, um die Feuer der Johannisnacht bei den Hahnentänzen der Kirchweihe, bei dem drolligen Hammeltanze etc. konnte es dem Volke in der Nähe so einsamer Gebirge, so geheimnisvoll rauschender Tannenwälder, an mancherlei Aberglauben und Märchen nicht fehlen. So wurde das erstgelegte Ei einer Henne über das Dach des Hauses geworfen, damit sie später um so reichlicher lege. So wurde neben dem Hofgut die geweihte Palme gegen den Blitzstrahl aufgerichtet; ein Ruhm, wer die größte und schmuckeste zur kirchlichen Weihe trug. So wurden durch besondere Segnungen und Gebräuche Brautleute und Wöchnerinnen gegen den Einfluß böser Geister geschützt; gegen diese verrichtete der Hausvater das Abendgebet zum offenen Fenster hinaus; von ihnen bevölkert sind die Tiefen der Waldseeen, die Schachten der Bergwerke, die Schluchten des Urgebirgs; sie führen im Riede von Pfohren, (darunter namentlich der sog. „Schnaufer“,) den Wanderer irre in den langen Windernächten; deßwegen erschallt um 9, 10 und 11 Uhr von den Kirchthürmen die geweihte Schnee- und Nebelglocke. Solcherlei Geister bannte aus Hof, Haus und Stallung der Kapuziner in eine Büchse und trug sie keuchend auf den Feldberg, um sie in den schwarzen Abgrund des stillen See’s zu versenken. Auf eben diesem Berge vernimmt der Schwarzwälder in schwülen Sommernächten die Arbeit des Denglegeistes und die Wälder zwischen der Brigach und Brege bevölkerte die Fantasie mit dem „Hollohoh!“ einem menschenwürgenden Gespenste. – Von größeren und leider traurigeren Folgen war der Glaube an den Verkehr des Menschen mit den bösen Geistern in den, freilich zum Theil auch durch Habsucht angeregten Hexenverfolgungen, vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an. Wie dieser aufgekommen und in ganz Europa zur krankhaften Sucht zweier Jahrhunderte geworden, ist hier nicht der Ort zu untersuchen; nur das glauben wir erwähnen zu müssen, daß, während Rotweil von 1561 bis 1648 Einhundertdreizehn Personen gerichtlich verhörte, folterte und verbrannte, in Bräunlingen doch einmal die Folter nicht angewendet wurde; – freilich mußte der Beschuldigte Urfehde [440] schwören und geloben, seine Hofstätte nie mehr zu verlassen, außer um in einer nahen Kapelle zu beten (1564). – Auch erholte sich die nämliche Stadt bei Rechtsgelehrten und Jesuiten Rathes, wenn die Inquisiten zu leugnen pflegten, und wurde zu ihren Untersuchungen durch Geständnisse aus anderen Städten aufgefordert, z. B. von Hüfingen, 1632. – Auf dem Lande kamen natürlich solche Hinrichtungen selten vor, da die Opfer des Wahnglaubens meist in den Städten von ihrem Schicksal ereilt wurden; auch war, im 17. Jahrhundert wenigstens, meistens das Bekenntniß grober Verbrechen das Ende des Prozesses. Die letzte Hinrichtung geschah wohl zu Donaueschingen an einem fünfzehnjährigen Knaben, der des Bündnisses mit dem Satan und der Giftmischerei angeklagt war, durch das Schwert, im Jahr 1719.
    (Vergleiche Universallexikon von Baden, die Artikel „Baar“ und „Fürstenbergische Landesgeschichte.“)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_439.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)